“You lost your hand because you’re a simple minded piece of shit.”
Es ist eine Schande, wenn man 2 1/2 Staffeln in eine Serie hinein sehr wenig über die Figuren und ihre Charaktere weiß. Das Problem ist, dass sich The Walking Dead eines Settings bezieht, das nur wenig verschiedene Köpfe hervorbringt. Es ist eine Friss-oder-Stirbt-Welt, die Menschen hervorbringt, denen man nicht mehr wirklich über den Weg laufen will. Bei aller Fairness muss man aber auch sagen, dass der Comic sich nicht anders verhält. Es gibt keine Flashbacks, sondern genau wie in der Serie Momente, in denen sich Charaktere für zwei Möglichkeiten entscheiden müssen, eine schlechter als die andere. Anhand der Entscheidungen lernen wir unsere Figuren näher kennen und können sie einschätzen, ob sie noch einen Hauch ihrer früheren Menschlichkeit bewahrt haben oder ob sie sich völlig aufgegeben und der neuen Welt angepasst haben.
Es ist daher eine willkommene Abwechslung, wenn die Serie ein wenig das angelegte Tempo der bisherigen Staffel ausbremst und sich den Figuren widmet. Es ist aber im Umkehrschluss eine traurige Tatsache, dass dies meist bedeutet, ganz der LOST-Flashback-Maxime, dass wir uns von dem ein oder anderen Charakter bald verabschieden müssen. Kaum bekam Axel, einer der irrwitzigsten Charaktere des Comics, ein paar neue Aspekte und begann sich zu einem interessanten Nebenfigur zu entwickeln, wird er umgenietet – immerhin ganz im Überraschungsstil des Comics. Trotz allem schafft es die Folge sich nach einem eher anstrengenden Start in Woodbury mit dem Governor und Andrea (Jedes Mal, wenn sie auf dem Schirm erscheint, drückt die Serie den Fuß ganz hart auf das Bremspedal.) zu überzeugen.
Doch schon dank des atmosphärischen Cold-Openings hatte man das Gefühl, dass diese Folge vielleicht nicht enttäuschen würde. Und das hat sie nicht, sie übertraf die Erwartungen bei Weitem. Das mag vielleicht an der Kontrastwirkung zum letztwöchentlich Totalausfall liegen, aber ich halte diese Folge für die beste der Serie bisher. Die Episode hat eine gute Balance zwischen Charakterarbeit und Action gefunden, die nicht nur rausgeworfen wird für die actionhungrige Masse, sondern sinnbildlich die Konflikte zwischen den Charakteren widerspiegelt. Ein Triumph.
Thematisch betrachtet trifft die Folge voll ins Schwarze. Der Episodentitel “Home” ist leitend. Alle Charaktere müssen sich nicht nur ihrer Allianzen, sondern ihren Sinn für Heimat in dieser postapokalyptischen Welt neu definieren. Die Gruppe um Hershel und Glenn muss sich entscheiden, ob sie weiterhin Rick folgen und ob sie das Gefängnis endgültig zu ihrem Zuhause machen und sich einbuddeln oder vor dem Governor fliehen. Währenddessen müssen Daryl und Merle im Wald sich ihrer gemeinsamen Kindheit und dem väterlichen Missbrauch stellen. Sie kannten nie ein Zuhause und sind auch in der Apokalypse umherwandelnde Seelen.
Doch Daryl fand ein Zuhause, fand Menschen, die er seine Familie nennen möchte und kehrt dorthin zurück. Bemerkenswert ist, dass Merle ihm folgt – trotz aller Probleme, die auf ihn warten; was wiederum beweist, dass Merle ebenso ein Zuhause und Nähe sucht und nicht alleine überleben kann – oder will. Das kurze Zwischenspiel auf der Brücke ist ebenso interessant und aussagekräftig: Eine lateinamerikanische Familie ist auf der Flucht vor den Zombies nach Amerika geflohen. Ein schöner Subtext und Kommentar der Serie auf reale Zustände, dazu wird uns verbeispielt, dass die Welt der Serie größer ist als Gefängnis vs. Woodbury.
Bei ihren Dialogen unterhalten sich die Figuren ebenfalls authentisch. Ein Beispiel aus der letzten Episode: Sasha, die junge Begleiterin von Tyrese, sieht Baby Judith. Sie stellt ein paar Fragen und sagt dann so etwas wie “Wir hätten nie gedacht, dass wir jemals wieder ein Baby sehen”. Das ist Subtext. Das spricht man nicht aus. Als Gegenbeispiel dient die wunderschöne Diskussion zwischen Glenn und Maggie, die viele Zuschauer, wenn man mal auf reddit o.ä. schaut, verwirrte. Schade. Da scheinen die Autoren ihre Zielgruppe ja zu kennen.
Es wäre schön, wenn diese Diskussionen und zwischenmenschlichen Momente mehr Platz in der Serie finden würden. Bei dem Tempo der Staffel hatte ich befürchtet, dass dies bereits die Endschlacht sei, das wäre aber dann doch ganz schön antiklimaktisch gewesen. Alles in allem ist es wieder verblüffend wie schnell die Serie einen packen kann, wenn man 2-3 Sachen richtig macht. Dass Charakterschwächen direkt korrigierbar sind, spricht zwar nicht für die Autoren der Serie, dafür können Ausschweife wie die von Rick in der letzten Woche relativ schnell wieder zurückbeordert werden. Hoffentlich hat er jetzt das Tal der Halluzinationen und des Schweißes verlassen, ruht sich mal aus und gibt den Führer, den die Gruppe braucht. Die nächsten Wochen sollten interessant werden.
“That was quite a speech you gave there.” Haha. No.
“He’s Korean.” – “Whatever.” Schöner Callback zur ersten Staffel als eben Daryl dies so zu Glenn sagte.
WALKER-BOMB! (Und nein, das war nicht Andrea im Auto. Meine Güte, Leute – passt auf!)
Michonne im Feld mit dem Katana. Gänsehaut… vielleicht schaffen sie es ja mehr aus ihr in Staffel 4 rauszukitzeln.
Wir machen so, als ob Tyrese und Co. wirklich weg sind? Okay. Bis nächste Woche.