Fear The Walking Dead konkretisiert in dieser Woche die Bedrohung mit einigen Parallelen zu HBOs Hit Chernobyl. Schlauer macht das die Folge aus der 5. Staffel jedoch nicht.
Es gibt keine Herausforderung, die Fear the Walking Dead nicht bewältigt. Stürzten in der vergangenen Woche alle Überlebenden gemeinsam in einem Flugzeug ab, sind in der 2. Folge der 5. Staffel (Unvermeidbarer Schmerz) schon wieder alle in kleine Grüppchen aufgeteilt, die ihre eigenen Ziele verfolgen.
Immerhin werden aber bis auf die neuen Truckerfreunde alle auch bespielt. Und natürlich Althea, die weiterhin verschwunden ist und von deren Entführern, die ziemlich sicher etwas mit Ricks Abschied in der Hauptserie zu tun haben, bisher auch jede Spur fehlt. Morgan (Lennie James) und Alicia (Alycia Debnam-Carey) stoßen auf ihrer Suche nach Althea auf eine neue Figur, die ein spannendes Problem in das Zentrum der Serie rückt.
In den Vereinigten Staaten gibt es 60 kommerziell geführte Atomkraftwerke mit 98 Reaktoren. Fear The Walking Dead hat gezeigt, dass die Zivilisation nicht direkt von jetzt auf gleich wie in vergleichbaren Klassikern (z.B. Dawn of the Dead) untergeht, sondern dass der Zerfall in Schritten erfolgt. Somit bliebe ein bisschen Zeit, diese Kraftwerke für den SuperGAU zu sichern und zumindest diese Apokalypse zu verhindern.
Dieser Ernstfall wird nun auch endlich Teil des Zombieuniversums. Während sich andere Zombienarrative entweder gar nicht oder explizit (siehe Max Brooks Roman World War Z, nicht World War Z mit Brad Pitt) mit der Problematik beschäftigen, hat Fear nur Budget und Interesse für den halbherzigen Mittelweg, was gerade angesichts des aktuellen Hypes um die HBO-Serie Chernobyl auffällt. Dennoch stellt das Szenario eine Adrenalinspritze ins Herz der Serie dar.
Die Nuklearwissenschaftlerin, auf die Morgan und Alicia stoßen, wirkt dazu wie frisches Blut im System der Show. Endlich ist da eine Figur, die keine geheime Mission hat, offen und ehrlich ist, und nur helfen will. Von ihr kommen keine geschwollenen Monologe, sondern klare Ansagen. Sie rettet unsere Helden vor radioaktiv verstrahlten Walkern und hilft Morgan, der fortan ein “Don’t mess with Texas”-Shirt anhat und seinen kontaminierten Stock zurücklassen muss. Ein lustiger und abwechslungsreicher Einfall.
Das ist aber nicht die alleinige Bedrohung in dieser Staffel. Neben der Rückkehr durch den Trucker-King Logan, der teilweise nuklearen Schmelze und den Helicopter-Menschen kehrt auch Mystery-Man Daniel Salazar endlich in die Serie zurück. Schauspieler Rubèn Blades ist ein so erfolgreicher Sänger (und auch Politiker), dass er nicht auf die Serienbeteiligung angewiesen ist. Nachdem er in der letzten Staffel komplett ausgelassen wurde, schaut die Figur in der 5. Staffel von Fear the Walking Dead wieder vorbei.
Das letzte Mal, als wir Daniel sahen, schoss ihm Strand (Colman Domingo) eine Kugel durch die Wange. Ob Daniel überhaupt die Zerstörung des Damms überlebte? Die Antwort blieb uns die Serie bis zur letzten Folge schuldig. Nun treffen alle Figuren wieder im hunderte Kilometer entfernten Texas aufeinander. Texas ist übrigens doppelt so groß wie Deutschland.
Daniel erkennt die Ironie. “Es ist kleine Welt”, stellt er an einer Stelle fest, nachdem Strand ihn aufsuchte und sich Altheas Interviews wie so oft als Quelle dieser Reunion entpuppen.
Leider kann das ungleiche Duo nicht an alte Höhen anknüpfen. Stattdessen wird die Szene beispielhaft für ein enormes Problem der Serie: Daniel besitzt ein Flugzeug. Strand braucht es, um seine Freunde zu retten. Wieso reicht an dieser Stelle kein Auto? Alle Figuren befinden sich doch in Texas. Das wäre zwar eine lange Reise, aber – ach egal. Mit interner Logik hat die Serie längst abgeschlossen.
Unterm Strich bleibt auch in “The Hurt That Will Happen” (Unvermeidbarer Schmerz) trotz spannender Ansätze alles beim Altem. Das große Problem von Fear the Walking Dead bleiben ihre künstlichen Konflikte. Vielleicht würde dieser Handlungsstrang besser funktionieren, wenn Morgans “Here To Help”-Mission wenigstens ein paar Mal in der Staffel erfolgreich auserzählt worden wäre. Aber das ist Kaffeesatzlesen.
Alles in allem bleibt die Prämisse hauchdünn. Bis auf Morgan kauft man keiner Figur die Motivation so richtig ab, dazu sind die Umstände einfach nicht haltbar: Obwohl keiner aus der Gruppe fliegen kann, nimmt man ein Flugzeug, um irgendwo irgendjemand aus irgendeinem Schlamassel zu retten. Ich schrieb in der letzten Folge, dass dies eine durchaus noble Aktion ist. Es ist aber auch eine extrem dumme.
Den Autoren fällt dazu kein in sich stimmiger Moment ein, in dem die Gefahr dieser Welt tatsächlich greifbar wird. Die aufregendsten Konflikte sind aktuell unsichtbar: Radioaktivität und die mysteriösen Zombie-Künstler, deren Werke entweder als Warnung oder Batman-Selbstjustiz zu verstehen sind.
Alicias unerklärliche Sturheit stellt ein weiteres Beispiel dar. Während ihr Morgan wieder eine einschläfernde Moralpredigt hält, vermögen selbst ihre Action-Einlagen nicht mehr zu entzücken. In einer Szene wird es für sie knapp und sie hält eine Waffe in der Hand, die sie aber nicht benutzt. Der Grund? Unklar.
Luciana ist verletzt und medikamentös eingeschränkt. Als der Radioturm ihres Unterschlupfes umstürzt, mit dem sie Kontakt zur Außenwelt hält, schaut sie nach, was passiert ist. Sie resümiert, dass es der Wind gewesen sein muss; völlig unironisch, als ihr Haar bei absoluter Windstille perfekt sitzt. Natürlich wartet sie zu lange und schon bald kommen Zombies. Anstatt in ihre Unterkunft zu fliehen, schießt sie zunächst auf die Walker, bevor sie es dann gerade so in die Tür schafft.
Es ist mir nicht daran gelegen, Figuren für ihre vermeintlich unklugen Handlungen zu kritisieren und die Handlungsstränge selbst “mit Logik” durchzuspielen. Nein, Menschen sind fehlbar und treffen in Stresssituation falsche Entscheidungen, die solche Momente spannender und menschlicher werden lassen. Genau das macht diese Szenarien überhaupt erst so anziehend. Doch diese Entscheidungen müssen mit bester Intention getroffen werden, um glaubhaft zu sein.
Fear The Walking Dead muss also endlich einen Mittelweg zwischen unnahbaren Alleskönnern wie Morgan und solch künstlichen Konflikten finden, um zu überleben.