Der feuchte Traum von Amerikas Rechten – The Purge Review - PewPewPew

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Vereinigte Staaten, 2013
Regie: James DeMonaco
Drehbuch: James DeMonaco
Darsteller: Ethan Hawke, Lena Headey
Länge: 85 Minuten
Rating: ★☆☆☆☆

Der American Dream verkörpert die Vorstellung, dass auch jeder Tellerwäscher durch harte, ehrliche Arbeit zum Millionär werden kann. Es ist eine der letzten Bastionen, die den amerikanischen Schmelztiegel zusammenhält. Es ist der Glaube an Besserung. Es ist die Aufrechterhaltung der Hoffnung.

Wer in dieser Welt arbeitet, der ist ein produktiver Teil der Gesellschaft. Wer keine Arbeit hat, der ist wahrscheinlich ein Trunkenbold, faul und abhängig vom Staat. Schuld und Verantwortung trägt stets nur das Individuum selbst. Diese Menschen liegen der Gesellschaft auf der Tasche. Welch Erlösung, für Gesellschaft und Individuum selbst, wäre es, wenn dem ein Ende bereitet werden würde. Es ist der feuchte Traum der rechtsradikalen Elemente der Rechten Amerikas. Mit ihren Waffen könnten sie ein neues Amerika schaffen, ein stärkeres Amerika. Ohne faule Ausländer und weiche Liberale, die den Fortschritt nur aufhalten.

In seinem Debütfilm The Purge präsentiert uns Regisseur und Autor James DeMonaco ein solches Szenario. Nachdem mehrere Finanzblasen platzten, reformierten neue Anführer Amerika in einen Staat, der wieder Nummer eins auf der Weltrangliste ist. Hohe Wirtschaftsleistung, keine Kriminalität, Vollbeschäftigung. Dies resultiert nicht aus der Bekämpfung von Korruption, einem kranken Hyperkapitalismus oder neuen Arbeitsreformen. Nein, dies ist das Resultat des Purge-Days. An einem Tag im Jahr ist für 12 Stunden jedes Verbrechen erlaubt. Die öffentlichen Dienste von Krankenhäusern, der Polizei und jeglicher anderer Ordnung setzen aus, während es dem Bürger gleichgestellt ist, ob er sich in einem Bunker versteckt oder auf die Straßen geht und mordet.

So interessant die grundlegende Idee, die sich DeMonaco zugegebenermaßen aus einer alten Star Trek Folge abgeschaut hat, so kleingeistig ist das Setting seines Films. Die Produzenten des Films, die sich auch für die Househorror-Streifen Sinister und Paranormal Activity verantwortlich zeichnen, diktieren mit ihren Small-Budget-Rechnungen dem High-Concept auf, ebenfalls in einem Haus stattzufinden. Und die Rechnung ging auf: In den USA spielte der Film bereits am ersten Wochenende das zehnfache seines Produktionsbudgets ein. Eine Fortsetzung ist bereits in Arbeit.

James Sandin (Ethan Hawke) lebt mit seiner Frau (Lena Headey) und seinen zwei Vorzeigekindern in einer Gated Community für Reiche. Das Leben finanziert er sich durch den Verkauf von Sicherheitssystemen, die Häuser in Bunker verwandeln können. James ist ein Nutznießer des Purges und hat sich eine reiche Nase verdient. Sie sind stille Unterstützer der Aktion, weil sie davon profitieren – nicht, weil sie es moralisch nachvollziehen können. Mitten in der Nacht des Purges lässt der Sohn einen schwarzen, namenlosen Flüchtling ins Haus. Seine Verfolger stellen der Familie ein Ultimatum. Liefern sie das Opfer aus oder sterben alle, sobald die Gruppe Zugang zu dem Innenbereich des Hauses hat?

Das größte Problem des Films ist der schwammige Mittelweg an Exposition. Dass die Prämisse auf die langweilige Location eines Hauses verschwendet wird, ist ohnehin bereits Grund genug den Ablauf des Films zu lamentieren; dass jedoch kontinuierlich die Außenwelt noch über Fernsehbotschaften plump eingebunden wird, ist erzürnend. Würde sich der Film tatsächlich nur die Situation der Film betrachten, würde ein Satz an Exposition ausreichen. Doch DeMonaco kann es nicht lassen. Andauernd werden Anmerkungen zu der world-at-large gemacht, ohne die Chance jedoch diese genauer zu erkunden, sodass dieser Fluss aus Exposition und Andeutungen irgendwann zuviele Fragen aufwirft, die sowohl die schwache Prämisse als auch die Spannung zerstören.

Wie konnte so ein Wandel rechtens umgesetzt werden? Wieso macht das ein so großer Teil der Bevölkerung mit? Wieso fahren die Reichen nicht übers Wochenende nach Kanada? Was ist mit den anderen Ländern und der UN Menschenrechtscharta? Ebenfalls schwach sind die Nebenrollen: Wie kann die Gegenwehr symbolisch für Antirassismus und Gleichberechtigung stehen, wenn mit dem Opfer nicht einmal zusammengearbeitet wird, geschweigedenn ihm ein Name zugestanden wird?

Viele dieser Fragen sind den Filmemachern hier nicht wichtig. Sie wollen ein Setting schaffen, in dem gemordet wird. Irgendwo dazwischen wird noch lieblos ein wenig Gesellschaftskritik, Rassismus und Symbolismus eingestreut für die Zuschauer, die bis drei zählen können.

Am traurigsten ist das Menschenbild mit dem sich The Purge an den Zuschauer wagt. Zugegeben, die meisten Gegner dürften inzwischen wohl erledigt worden sein, aber dort sehen wir Familienväter und -mütter in dem Alter, in dem sich viele junge Zuschauer in der zukünftigten Version des Filmes wiederfinden würden. Der Film suggeriert, dass die Lust zu morden tief im Menschen angesiedelt ist und der Tag der Reinigung eine Erlösung auf gesellschaftlichem und individuellen Level erbringt. Gegen Ende sind sogar einige Gläubige so davon überzeugt, dass sie bereit sind, ihr Leben für die Säuberung zu opfern. Dieser Sprung ist binnen dem kurzen Abstand zwischen Realität und Filmzukunft komplett unrealistisch und unlogisch.

Dazu nerven Subplots wie der um den Freund der Tochter, der den Vater umbringen will – ja, genau, das wird die Tochter bestimmt voll mit Liebe für ihn füllen -, und die langweiligen Charakterzeichnungen. Oder diese bleiben ganz aus, wie bei der Tochter, die nur da ist um spät abends nach der Schule immer noch im Schulmädchenoutfit rumzulaufen und der jungen, männlichen Zielgruppe Grund zum Sabbern zu geben.

The Purge hat einen positiven Punkt und das ist seine Prämisse. Jeder Schritt danach, jede Umsetzung, jede Einstellung und jede Wendung ruiniert die Ursprungsidee. Die perfiden Unterstellungen des Autors ans Publikum offenbaren ein schauriges Weltbild, das es zu bekämpfen gilt.