Vorwort
Ich hatte mit ‘The Cabin in the Woods’ so viel Spaß wie schon lange nicht mehr. Ich wusste absolut nichts, hatte nicht einmal den Trailer geguckt – dem Herrn sei Dank, denn dort stecken viele unspaßige Spoiler drin. Daher sollte man meiner Meinung nach mal versuchen, ‘The Cabin in the Woods’ mit so wenig Vorkenntnis wie möglich zu sehen. Was ich jedoch sagen kann, ist, dass ich den Spaß meines Kinojahres hatte. Der Film lässt einen nicht los, ist so unglaublich schlagfertig geschrieben, und erhöht das Tempo und seine Verdrehtheit alle 15 Minuten bis zum großen Knall am Ende. Versucht es einfach mal – für mich hat es sich gelohnt.
Weiterlesen also auf eigene Gefahr. Eine Review ohne Spoiler, so klein sie auch sein mögen, hat nämlich keinen Mehrwert.
Vereinigte Staaten 2012
Regie: Drew Goddard
Drehbuch: Drew Goddard & Joss Whedon
Länge: 85 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 6. September 2012
Rating:
“Don’t read the Latin. I draw the line at reading the Latin.”
Ich bin kein großer Freund des Horror-Genres. Ja, es gab auch in den letzten Jahren einige Perlen und natürlich mag ich die Schmuckstücke aus vergangenen Jahrzehnten, so ist ‘The Thing’ zum Beispiel definitiv auf meiner Lieblingsfilmliste. Aber da haben wir ja wieder ein Problem: Der Film ist im SciFi-Horror-Subgenre angeordnet, was dem Horror ein interessantes Setting gibt. Da bin ich dabei. Das ist bei anderen Subgenres, wie dem Hüttenhorror zum Beispiel, nicht der Fall: Ein Gruppe junger Leute geht in den Wald um in einer abgelegenen Hütte dick Party zu machen und wird von irgendeinem Monster oder Killer abgemurkst. Soll das Unterhaltung sein?
Und wenn man Titel und Zusammenfassung Glauben schenkt, kann man sich denken, was man bei ‘The Cabin in the Woods’ zu erwarten hat. Das ist auch so: Eine Gruppe von 5 Jugendlichen, bestehend aus drei Jungs und zwei Mädels, gehen in den Wald in die Hütte eines Cousins und wollen die Party ihres Lebens machen. Doch dann passiert etwas und Leute sterben. Das passiert aber bereits in der ersten Hälfte des Films. Es gibt mehr. Viel mehr. Denn dann merkt man, dass wenn man in ‘The Cabin in the Woods’ das Klischee, den Stereotyp, den normalen Horrorfilm sehen wollte, im falschen Film sitzt. Der Film ist nämlich nicht nur ein Hüttenhorrorfilm, sondern jeder Horrorfilm, mit allen erdenklichen Plots und Monsters, der komplett auf Filmgeeks zugeschnitten ist und alle Genres miteinander vereint und zum Schluss alles über den Haufen wirft.
Dabei ist das Grundschema so stereotypisch wie es nur sein könnte. Es gibt den schlauen Typen, den Sportler, die heiße Cheerleaderin, den Stoner-Geek und die schüchterne Hauptdarstellerin, die es bis ans Ende schafft. So soll es sein. Das Publikum ist Gott, und der bekommt seinen Willen. Doch unterlegt ist der Film mit dem Metaelement eines lustigen Bürokomplexes mit Angestellten, der wahrhaftig unterhalb der Hütte gelegen ist und mit dem der Film auch beginnt. Manch einer fragte sich bestimmt, ob er im richtigen Film sitzt oder ob er da einen Film über Black Mesa sieht.
Dann stellt sich heraus: Die Büromitarbeiter orchestrieren das Geschehen im Big-Brother-Style und kommentieren und lachen wie das Publikum eines generischen Horrorfilmes, während auf den Bildschirmen die Charaktere auf brutalste Weise hingerichtet werden. Das erzeugt, anders wie bei allen anderen Horrorfilmen, Mitleid und Empathie beim Zuschauer für die Charaktere, sodass einem gar nicht zum Lachen zu Mute ist. Es gibt zwar einen “Dark Comedy”-Unterton, aber insgeheim wird einem klar, wie krank die üblichen Filme eigentlich sind und was das für Menschen sind, die das zur Unterhaltung gucken. Das Ende spielt sogar darauf an, denn wie sich später herausstellt, machen die Leute im Büro all das nicht aus sadistischen Motiven heraus, sondern versuchen die Welt zu retten. (Übrigens: Perfektes Casting bei den zwei Hauptfiguren im Büro.)
Indem die Figuren hinter dem Vorhang nicht demonisiert werden, sondern ebenfalls empathisch dargestellt werden, entsteht ein Konflikt im Zuschauer selbst. Eigentlich will man rausgehen. Das kann nicht gut enden. Es geht den Figuren genauso, als sie versuchen die Hütte zu verlassen. Die Charaktere flüchten quasi aus dem Horrorfilm selbst. Der Film ist so meta und genau für Geeks zugeschnitten (immerhin schrieb Whedon das Drehbuch), dass ich eigentlich gar nichts von den letzten 15 Minuten erzählen will, aber: Es ist der absolute Overkill aller Horrorfilme aller Zeiten mit Hommagen und Anerkennungen an jeden bekannten Horrofilm, den es gibt oder jemals geben könnte (Monster-Unicorn, anyone?).
Der Film weiß genau, was er tut: Indem die Charaktere gegen das Genre und seine Konventionen rebellieren, töten sie das Genre selbst durch die Auflösung aller Regeln und Klischees und lassen das Genre und die Welt in einem großen Knall sterben. Der Stonergeek selbst zum Held wird, kriegt sogar das Mädchen und rettet nicht die Welt, weil sie es nicht wert ist, gerettet zu werden.
‘The Cabin in the Woods’ ist die ultimative Dekonstruktion des Horrorgenres, nach der man alles gesehen hat.