Originaltitel: Super 8, USA 2011
Regie: JJ Abrams
Drehbuch: JJ Abrams
Darsteller: Joel Courtney, Elle Fanning, Riley Griffiths, Noah Emmerich, Kyle Chandler
Produktion: Amblin Entertainment, Bad Robot Productions
Verleih: Paramount Pictures
Länge: 112 Minuten
FSK: 12 Jahre
Start: 4. August
Steven Spielberg hat die Geschichte des Kinos wie kaum ein anderer verändert und bleibt bis heute die führende Stimme der Industrie. Dass ein so einflussreicher und erfolgreicher Mann ganze Generationen von Menschen nicht nur beeindruckt, sondern auch inspiriert, haben die letzten Jahrzehnte des Mainstreamkinos bewiesen. Einer, der die letzten Jahre des Entertainment wie kaum ein anderer beeinflusste, ist JJ Abrams, der Spielberg als eine seiner Hauptinspirationen nennt und von nicht wenigen als der Nachfolger Spielbergs angesehen wird. Als die beiden sich bei der Oscar Nacht 2008 trafen, soll Abrams ihm eine seiner Ideen gepitcht haben: Was wäre, wenn E.T. nicht nett, sondern eigentlich ein ziemlicher Bad-Ass wäre?
Sommer 1979: Vier Monate nach dem Tod seiner Mutter versucht Joe (Joel Courtney) die Sommerferien mit seinen Freunden zu genießen. Sein bester Freund Charles (unglaublich gut gespielt von Newcomer Riley Griffiths) will endlich seinen Zombiefilm fertig drehen und lädt dazu Alice (Elle Fanning), den Schwarm aller Jungs ein. Als die Gruppe dann nachts heimlich zu einem abgelegenen Zugbahnhof fährt, um dort zu drehen, fährt plötzlich ein Truck auf die Schienen und kollidiert mit einem heranrasenden Zug, der daraufhin entgleist. Als sich der Staub gelegt hat, kommt ein unheimliches Klopfen von einem der Wagons und die umgefallene Super 8 Kamera nimmt etwas Unheimliches auf. Kurz darauf müssen die Kinder flüchten, denn das herannahende Militär droht alle Beweise und Zeugen zu vernichten.
Abrams liebt die Amblin-Filme von Spielberg. Wer nicht? ‘E.T.’, ‘Close Encounters of the Third Kind’, ‘Jurassic Park’ und ‘The Goonies’ sind Klassiker des modernen Films und Spielbergs vielleicht größtes Erbe. In vielerlei Hinsicht ist ‘Super 8’ eine Hommage an diese Filme, doch die Linie zwischen Hommage und Kopie droht zu verschwimmen, da der Film praktisch ein Schmelztiegel dieser Filme ist – und zum Teil nicht mehr. Dennoch schafft es Abrams, dass sein Film sich über weite Teile hinweg in diese Liste von Filmen einreihen darf, ohne dabei jedoch wirklich etwas auszusagen, so wie die anderen dies tun. Abrams hat einen tollen visuellen Stil (Die Lens-Flares sind Teil seines Stils, get over it!), einen wunderbaren Cast (die Jungschauspieler sind allesamt fantastisch) und ein gutes Drehbuch, in dem vor allem die ersten beiden Akte mit wunderbaren Dialogen im Social Network-Sorkin-Stil und einer großartigen Dynamik aufwarten. Das rettet den Film über seinen überstürzten und teilweise unnötig lauten dritten Akt (Zum Beispiel das Militär, das die halbe Stadt niederschießt – in alle Richtungen, kreuz und quer – wobei das Alien auf dem Friedhof, weit außerhalb des “Kampfgeschehens” ist) hinweg.
Auch wenn der dritte Akt mehrere geniale Szenen hat, u.a. eine Reminiszenz an die T-Rex Ausbruchsszene aus ‘Jurassic Park’ (hier attackiert das Alien einen Bus), beginnt der Film gegen Ende doch sehr aus dem Ruder zu laufen (wie viele andere Filme). Während Abrams auf visueller Sprachebene stets die kreative Kontrolle behält und tolle Bilder einfängt (u.a. einen Panzer, der über einen Spielplatz fährt – eingerahmt durch ein Kinderzimmer in dessen Wand ein riesiges Loch gepustet wurde), fühlt sich sein Drehbuch zu übereilt an. Die Begegnung des Jungen mit dem Alien findet viel zu spät statt. So wurde uns im Trailer das Gefühl gegeben, dass die Kinder einen Einfluss auf das Vieh haben oder immerhin eine tiefere Verbindung als alle anderen zu ihm entwickeln, da sie es zufällig mit ihrer Super 8 Kamera aufgezeichnet haben. Doch nichts davon passiert. Wir sehen auf dem Film nicht mehr als wir vorher schon erblicken konnten und der Plot wird dadurch nicht vorangetrieben. Wer ebenfalls nichts vorantreibt ist Joes Vater, gespielt von Kyle Chandler, der zwar seine Rolle gut ausfüllen kann, diese dabei aber einfach nicht genug hergibt.
Es gibt diese eine Szene, in der Mr. Lamb seinem Sohn verbietet Alice wieder zu sehen und Joel Courtney spielt diese Szene wunderbar. Man möchte ihn als Zuschauer quasi in den Arm nehmen. Kyle Chandlers Performance in dieser Szene ist perfekt, er hat dieses typische Vater-Gesicht. Eigentlich will Chandlers Vater seinen Sohn umarmen, doch das Drehbuch lässt ihn nicht. Das fand ich schwach.
Eine Umarmung zwischen Vater und Sohn, die vor 4 Monaten Frau bzw. Mutter verloren haben, zerstört nicht den Konflikt im Drehbuch, Herr Abrams, sondern hätte ihn unterstützt und wäre eine echte dramaturgische Steigerung gewesen. Die finale Reunion hätte umso besser funktioniert.
SPOILERANFANG Ein mittelgroßes Problem des Films ist das Alien und dessen gesamter Subplot, inklusive wie dieser in die anderen involviert ist. Als bei ‘E.T.’ der Außerirdische das Geheimnis ist, ist bei ‘Super 8’ das Alien das Geheimnis per se – vor den Kindern, der Stadt und vor allem, vor dem Zuschauer. Als das Alien am Schluss in sein wiederaufgebautes Raumschiff steigt und sich auf die Heimreise begibt, wissen wir nichts über es. Wieso war es hier auf der Erde? Was war seine Mission? Was hat es gedacht und wie verhält sich seine Rasse zu der unseren? Nicht einmal einen Namen erfährt man. Stattdessen tötet es viele Soldaten und, vor allem, viele Unschuldige Einwohner – grundlos und selbst, wenn diese vor ihm flüchten. Dass wir am Ende etwas fühlen hat viel mit den wiedervereinten Kindern, der Musik (‘Letting Go’ – fulminant von Michael Giacchino) und der Abschiedsszene aus E.T. zu tun, die hier praktisch eins zu eins kopiert wird und die gleiche Wirkung wie die seines großen Vorbildes haben soll, es aber nie erreicht. Die Gänsehaut in dieser Szene gilt der nostalgischen Brille, durch die Abrams uns seinen Film präsentierte und dem Blick zurück zur Amblin-Era und nicht der Dramaturgie dieser Szene. SPOILERENDE
Dennoch ist ‘Super 8’ die ultimative Kinoerfahrung dieses Sommers, die durch den alten Charme überzeugen kann, den man erst dann wirklich schmerzlich vermisst, wenn man ihm inmitten eines Sommers von aufeinander eindreschenden Robotern und anderer Sequels begegnet. Der Film ist gruselig, immersiv, lustig, echt, originell und vor allem spannend und mysteriös, vor allem dank der wunderbaren Dynamik und dem Spiel der Jungdarsteller. Die Action ist wohl dosiert über die 112 Minuten und es wird nie langweilig. Auch wenn ‘Super 8’ Mainstream ist und das Drehbuch in der Review im dritten Akt etwas abfällt, ist der Film und die Erfahrung des ersten Schauens magisch und verzaubernd. Es ist einer dieser Film, über deren Schwächen man gerne hinwegblickt, weil sie einem die Erfahrung nicht versauen und, wenn man nicht allzu genau hinblickt, gar nicht wirklich auffallen (wollen).
Brian Lee Tenney schreibt in seiner Review zu “Rise of the Planet of the Apes”, dass manche Filme einfach für einen gemacht wurden, als ob die Filmemacher in den eigenen Kopf geschaut hätten und Wünsche, Erinnerungen, Emotionen und Ideen herausgenommen hätten und einen Film nur für dich gemacht hätten. Das ist ‘Super 8’ für mich.
9/10