Vor etwas mehr als acht Jahren machten die zwei Comic-Größen Robert Kirkman und Brian K. Vaughan einen Deal aus: Vaughan soll seinen digitalen Comic The Private Eye, den der Künstler Marcos Martin zeichnete, über die Druckpressen des Image-Verlags in analoger Form veröffentlichen und dafür würden Vaughan und Martin in Kirkmans Walking Dead Universum rumspielen dürfen.
Dieser Scherz wurde vor geraumer Zeit nun zur Realität, ich vergaß nur darüber zu bloggen. Natürlich habe ich schnellestens den Comic, der unter dem Titel The Walking Dead: The Alien veröffentlicht wurde, gelesen. Es gibt ihn kostenlos auf Vaughans DRM-freiem Online-Verlag Panel Syndicate.
The Alien handelt nicht von der ironischen Alien-Invasion am Ende von Issue 75, sondern spielt tatsächlich im eigentlichen Comic-Universum und ist Teil des offiziellen Kanons. Leider handelt es sich nur um eine einmalige Angelegenheit – diese lohnt sich aber vor allem für langjährige Fans der Comics. (SPOILER-WARNUNG)Die kleine Erzählung aus der Feder von Vaughan verrät nämlich die bisher geheime Geschichte um den Jeffrey Grimes. Genau, Ricks Bruder, der einmal im Comic kurz erwähnt wird. Kirkman hat schon vor langer Zeit in den Letter Hacks am Ende der regulären Serie zugegeben, dass wir Jeffrey niemals im Comic sehen werden. Seine Begründung dafür war, dass es einfach ein zu großer Zufall wäre, wenn die beiden Brüder in der Postapokalypse aufeinandertreffen würden.
Wer The Alien gelesen hat, der weiß aber nun auch die offizielle Geschichte hinter der Abwesenheit von Ricks Bruder: Jeffrey kann gar nicht in der Geschichte auftauchen, da er bereits lange tot ist. Kurz nach der Apokalypse trifft er auf eine hübsche junge Frau in Barcelona, die ihn mit einer Vespa und einer Lanze samt Ritterkostüm vor den Walkern rettet. Da die Beiden keine Zukunft für sich in der Großstadt sehen, versuchen sie einen Flucht über das Mittelmeer. Bei einem Kampf im Hafen wird Jeffrey jedoch gebissen, sodass nur Claudia entkommen kann.
Mir gefiel diese Kurzgeschichte sehr. Besonders Claudias Auftritt fand ich aufregend und eindrucksvoll. Ich würde gerne ihr Schicksal noch weiter verfolgen. Auch das Setting in Barcelona ist gerade schon exotisch. Da sich der Comic ausschließlich an der amerikanischen Ostküste abspielt, sind die Panels einer mit Walkern überfluteten, alteuropäischen Stadt sehr besonders. Und auch wenn der Comic mit 31 Seiten sehr kurz ist, konnte er mich emotional berühren. Besonders die Identität von Jeffrey, die im Comic als Twist für Fans kommt, war irgendwie schmerzvoll. Auch dass die beiden Hauptfiguren keine wirkliche Zeit hatten, ihre Anziehung in irgendeiner Form aufblühen zu lassen, war stimmig und ergreifend.
In meinen Fear The Walking Dead Reviews lamentiere ich häufig darüber, dass die Serie ihr Potenzial kaum nutzt. Während sich die aktuellen Folgen fast schon identitisch an der zweiten Staffel der Mutterserie orientieren, verhalf The Alien dem Franchise zu genau der Frische, die mir schon lange im Hinblick der Schauplätze in Kirkmans Universum wünsche. Es wäre doch eine Idee, wenn man diese abgeschlossenen Spin-offs zu einer jährlichen Ausgabe von verschiedenen Künstlern machen könnte.