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Vereinigte Staaten 2012
Regie: Benh Zeitlin
Drehbuch: Lucy Alibar & Benh Zeitlin
Darsteller: Quvenzhané Wallis, Dwight Henry
Länge: 98 Minuten
Rating: ★★★★★

“I see that I am a little piece of a big, big universe, and that makes it right.”

Auf große Zustimmung in der liberal geprägten Filmkritikerszene der USA stoßen immer wieder auch kleine Filme, die der amerikanischen Gesellschaft den Spiegel vorhalten. So geschehen vor einem Jahr mit ‘The Help’ und davor mit ‘Winter’s Bone’, nur um jüngere Beispiele zu nennen. Doch ‘Beasts of the Southern Wild’ ist weit mehr als das.

Wenn ‘Beasts of the Southern Wild’ beginnt und uns in die “Bathtub” einführt, singen und tanzen alle Menschen wild umher, betrunken vom Leben und Eindrücken. Die kleine Hushpuppy läuft mit Feuerwerkskörpern in den Händen umher und die Musik pocht bombastisch. Es war der Moment, als mir klar war, dass der Film etwas Besonderes werden sollte.

Die kleine Hushpuppy lebt mit ihrem Vater in einer vom Restland durch hohe Dämme abgeschottenen “Badewanne”. Der Klimawandel und die schmelzenden Eisvorkommen haben die Ozeane steigen lassen und Küstenregionen unter Wasser gesetzt. Doch die Armen können nicht fliehen – und wollen es auch nicht. Es ist ein kleines, romantisches, fantastisches Leben, das die Hushpuppy hier mit ihrem Vater in zwei auf Stelzen erhobenen Trailern abseits der “Stadt” führt. Als ihr Vater erkrankt und ein Sturm aufzieht, der die Badewanna lebensbedrohlich überflutet, muss das kleine Mädchen schnell erwachsen werden.

Einer der zentralen Botschaften fällt in der Mitte des Films, als die kleine Hushpuppy ihrer Lehrerin lauscht, die den Kinder beibringt: Es gibt nichts Wichtigeres im Leben als auf die Kleinen und Schwachen aufzupassen. Doch ‘Beasts’ ist weitaus mehr als eine große Katrina-Anspielung. Es ist eine wundersame Welt, die wir durch die fantastischen Augen eines kleinen Mädchens sehen, voller Monster und Magie.

Dass der Film in der Mitte etwas meandert und die wunderlichen Nebencharaktere nicht entwickelt werden, muss er sich vorwerfen lassen. Doch das spielt keine Rolle: Der Film ist nur über die Beziehung von Hushpuppy und ihrem Vater. Dieser ist alkoholabhängig und mit dem Kind völlig überfordert. Wir erfahren, dass die Mutter gestorben ist und Hushpuppy sie sehr vermisst und in Form von einem Basketballshirt und dem entfernten Licht eines Leuchtturms noch immer mit ihr kommuniziert. Ihre Geschichte ist tragisch, erstaunlich, inspirierend.

In gewisser Weise versucht der Film auch eine Lösung zu finden, inwieweit der Mensch in der Natur einen Platz finden kann. In der Arktis sind buchstäbliche Monster eingefroren, die wir durch unser Nichthandeln mit dem Klimawandel heraufbeschwören werden. Der Mensch dominiert die Natur. Die Tiere im Film werden teilweise martialisch verzehrt und die Fabriken befördern den Klimawandel. Gehört der Mensch überhaupt auf den Planeten? Wie lange können wir ihn weiterhin ausbeuten und können wir überhaupt in Symbiose mit unserer Mutter leben?

Zeitlins Film stößt all diese Themen an und findet die Antwort in der Familie, der gegenseitigen Liebe und dem gesellschaftlichen Näherrücken. Er hebt nie den Zeigefinger, aber seine Charaktere zeigen deutlich, dass wir nicht miteinander reden, obwohl es genug gut meinende Leute unter uns gibt, um etwas zu verändern.

Hushpuppy lässt uns wissen, dass das Universum von ganz vielen kleinen Dingen besteht, die alle miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. Wenn eines davon futsch geht, fällt das ganze System in sich zusammen. Ihr Vater Wink erinnert uns daran, als er den Damm sprengt, um das Hochwasser in das Hinterland abfließen zu lassen.

Insgesamt ist es bewunderswert, wie elegant und leichtfüßig der Film trotz seiner wichtigen ökonomisch und ökologisch geprägten Thematik daherkommt. Es ist den beiden Schauspielern, insbesondere der kleinen Tour de Force von Newcomerin Quvenzhané Wallis, und den fantastisch eingefangen Bildern von Regisseur Zeitlin zu verdanken, dass wir diese belastete Welt durch authentische und unschuldige Augen sehen dürfen.