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Der Guardian meldet: “Swedish cinemas take aim at gender bias with Bechdel test rating.”

To get an A rating, a movie must pass the so-called Bechdel test, which means it must have at least two named female characters who talk to each other about something other than a man.

“The entire Lord of the Rings trilogy, all Star Wars movies, The Social Network, Pulp Fiction and all but one of the Harry Potter movies fail this test,” said Ellen Tejle, the director of Bio Rio, an art-house cinema in Stockholm’s trendy Södermalm district.

Bio Rio is one of four Swedish cinemas that launched the new rating last month to draw attention to how few movies pass the Bechdel test. Most filmgoers have reacted positively to the initiative. “For some people it has been an eye-opener,” said Tejle.

Zunächst einmal muss man die Meldung entschärfen. Es geht hier also nur um ein kinointernes Rating. Dass Frauen es in der Filmlandschaft schwer haben, ist natürlich kein Geheimnis. Dass ein Verband aus Arthauskinos darauf aufmerksam machen will, ist nobel und lobenswert. Ich stimme außerdem sehr mit dem Statement des Kinodirektors zu:

Beliefs about women’s roles in society are influenced by the fact that movie watchers rarely see “a female superhero or a female professor or person who makes it through exciting challenges and masters them”, Tejle said, noting that the rating doesn’t say anything about the quality of the film. “The goal is to see more female stories and perspectives on cinema screens,” he added.

Ich frage mich nur, ob der Bechdel-Test die richtige Lösung ist. Ich empfinde ihn nämlich als nette Spielerei, die aber nichts über den Film oder seine Handhabung von Frauen zu tun hat. Um dies zu erläutern, wähle ich mal zwei Beispiele aus dem aktuellen Kinoprogramm.

Gestern war ich im Kino und sah Thor: The Dark World. (Spoilers follow.) In dem Sequel zum Marvel-Hit aus dem Jahr 2009 wird Jane Forster (Natalie Portman) von der nachforschenden Wissenschaftlerin auf einer ihrer Erkundungen zum MacGuffin reduziert. Eine neue Macht, nach der Malekith, der Bösewicht des Films, strebt, hat sie als Wirt auserkoren. Um sie vor dem Bösewicht zu beschützen, versteckt Thor seine Freundin in einem Palast auf seiner Heimatwelt Asgard. Damit wird die autonome Forscherin nicht nur zum MacGuffin, sondern durch typischen Damsel im Turm reduziert. Buchstäblich. Okay, aber wir schreiben das Jahr 2013. Also darf Jane Forster zum Schluss eine nicht näher klassifizierte Technologie einsetzen um Thors Kampf gegen den Bösewicht zu unterstützen, aber erst nachdem Thor sie befreite.

Das Sequel zu Thor würde jedoch den Bechdel Test bestehen. Jane Forster hat eine Assistentin (Kat Dennings), deren Daseinsberechtigung überraschenderweise noch unerklärlicher ist als im Vorgänger, die mit ihr zusammen Anomalien in London erforscht. Beide sind gebildet, autonom und cool. Den Bechdel Test bestehen sie auch. Dieser besagt, dass man

a) 2 Frauen im Film haben muss, die
b) miteinander sprechen und
c) dass das Gespräch sich über etwas anderes als einen Mann drehen muss.

Und nun ein Gegenbeispiel: Alfonso Cuaróns Gravity entzückt gerade die Augen der weltweiten Kinolandschaft. Ohne Zweifel ist der Film aber nicht nur ein visuelles Meisterstück, sondern auch eine lebensbejahrende Wiedergeburtsparabel mit einer angeschlagenen, aber starken Frau, die enorme Willenskraft im geforderten Augenblick beweist. Die Astronautin, gespielt von Sandra Bullock, kämpft über weite Teile des Films komplett alleine und in völliger Stille um ihr Überleben im Weltall. Wenn einmal jemand mit ihr redet, dann ist es bis auf eine Szene stets der erfahrende Kommandant Matt (George Clooney), der die hyperventilierende, verängstigte Frau beruhigen und retten muss. Am Ende schafft es Dr. Ryan Stone zurück auf die Erde. Ganz alleine. Durch ihre Intelligenz, ihren Mut und ihren Einsatz. Gravity zeigt eine starke Frau, die ihren Weg geht und über Hindernisse, die ihr in den Weg gelegt werden, autonom hinübersteigt.

Den Bechdel Test würde der Weltraumthriller jedoch nicht bestehen. Im gesamten Film redet Stone lediglich mit Astronautenkollege Matt oder über Funk mit einem Inuit auf der Erde.

Es ist klar, dass der Bechdel Test keine perfekte Ratio für die Darstellung von Frauen in Filmen sein kann, geschweigedenn für die Qualität eines Filmes. In der Annahme wäre nämlich der neue Superheldenfilm aus dem Hause Marvel besser als Cuaróns Leidenschaftsprojekt und in dieser Welt will ich nicht leben.

Prinzipiell jedoch ist der Test in seiner Raffinität natürlich nicht von der Hand zu weisen. Immerhin habe ich zwei sehr extreme Beispiele herangezogen – insbesondere Gravity, mit seinem minimalistischen Fokus eignet sich nur mäßig. Aber gerade bei diesen Beispielen zeigt sich bereits, wie leicht man ihn aushebeln könnte, was von Stand-Up Komiker Vince Mancini auf die Schippe genommen wird. Und seit der Debatte über die Frauenrolle(n) in Pacific Rim bieten Filmfans auch den Mako Mori Test an.

Dass die Darstellung von Frauen problematisch ist, verbleibt natürlich ein No-Brainer. Aber ob man mit dem Test wirklich so Einfluss nehmen kann, da bin ich mir nicht sicher. Frau Bechdel hat gesagt, dass ihr Test nur ein Gedankenspiel ist und kein absoluter Standard. Es ist nur so schön einfach, dass er sich gut eignet. Es dreht sich hier aber eher darum, Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Und das dürfte mit so einer Regelung funktionieren. Es ist ein klarer Marketingstunt des Kinos, der funktioniert. Die Tatsache, dass sowohl der Guardian als auch kleine Leute wie ich sich darüber echauffieren, kann prinzipiell nur positiv sein. Ein Schritt in die richtige Richtung. Man sollte jedoch nie glauben, man könne die Welt mit solch einfachen Regeln erklären und wenn man sich nur an sie hält und alledem ein Label aufklebt, dann wäre alles gut.