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Ich bin etwas spät dran, aber ich habe die neue Folge von artes Durch die Nacht mit… gesehen. Diese hat es wirklich in sich und ist nicht nur für Game of Thrones Fans genießbar. Sibel Kekilli und George R.R. Martin kennen sich bereits, mögen sich sehr und interessieren sich füreinander – was für eine außerordentlich seltene Konstellation im Kosmos dieser Serie.

Zu Beginn darf Martin den Traum eines jeden Nerds leben und eine bildhübsche Frau in seine Man Cave geleiten, um ihr dort seine Spielfigurensammlung zu zeigen. Dort erklärt er ihr auch, wieso seine ASOIAF-Drachen nur zwei Beine haben und wieso das wissenschaftlich korrekter ist (Fuck off, Wyverns!).

Anschließend gehen sie was trinken und essen, schauen sich beschwipst Kunstausstellungen an, kaufen Comics (Martin liebt Saga!!!!) erzählen von ihren Karrieren und plaudern über die politische Situation in der Türkei und den Tatort. Danach geht es in George R.R. Martins Kino, Sibel kämpft süß mit dem Englischen und es gibt eine Q&A zu ihrem Film Gegen die Wand. Danach gibt es Live-Musik, mehr Alkohol und Liebesbekundungen. Herrliche Folge mit zwei super sympathischen Menschen.

Durch die Nacht mit… ist eines der besten Fernsehformate aller Zeiten und stets hochinteressant, selbst wenn oft relativ langweilige Folgen bei eigentlich spannenden Paarungen herausspringen. Um so eine eher unspektakuläre Folge handelt es sich auch hier, als mit Oliver Polak und Haftbefehl ein jüdischer Standup-Comedian und ein muslisch-gläugiber Gangsterrapper durch Frankfurt kutschierten.

Eigentlich stimmt auf dem Papier hier alles, gleich müsste es ein Feuerwerk der besonderen Art geben. Stattdessen ergibt sich ein relativ eindrucksvolles Bild des modernen Deutschlands. Beide wirken trotz ihres Erfolges vom Leben eher geplagt und haben harte Zeiten durchmachen müssen, kommen sich nicht wirklich näher und finden nur punktuell zueinander.

Haftbefehl interessiert sich für mehr Zahlen und Geld. Polak interessiert sich zwar ein bisschen mehr für Haftbefehls Vergangenheit, kommt aber zu keinem erkenntnisreichen Urteil. An einem Punkt klärt Polak den Rapper über antisemitische Klischees auf. Haftbefehl zeigt sich belehrt, keiner ist böse. Gegenseitiges Abstandhalten – Deutschland, 2015.

Zwischendurch fahren sie durch Problembezirke, essen lecker Döner, spendieren Fans ein paar Fahrten auf der Kirmes und finden eigentlich nur im Schmerz einen gemeinsamen Nenner. Alles sehr dezent produziert, aber dennoch sehr aussagekräftig. Darüberhinaus ist die Folge jedoch nicht wirklich schlecht oder langweilig. Das ist meiner Ansicht nach vor allem dem Rapper zu verdanken, der Udo Jürgens nicht kennt und dessen Auftreten mit einer ulkigen Mischung aus Prollhaftigkeit und Klamotten aus den Neunzigern, burner phone und Softie sehr unterhält. (via)

Als Saarländer kenne ich die besondere Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft wie kaum andere Europäer direkt aus dem Alltag und als Fernsehhipster bin ich natürlich auch Freund von arte. Wird also längst mal Zeit, dass ich davon auch mal im Blog was erzähle; immerhin konsumiere ich relativ viele der tollen Angbote. Da darf man auch ein wenig Lob zurückgeben.

Erwähnung sollte auf jeden Fall die sehr coole neue Laborentwicklung “Young Fiction” sein, bei der man Studenten der Filmakademie Ludwigsburg dazu aufforderte, junge und kreative Inhalte im seriellen Format zu entwickeln.

Aus etlichen Bewerbungen hat die Jury die besten drei ausgewählt und nun dürfen die Zuschauer den Sieger bestimmen. Die drei Pitch-Videos kann man sich online ansehen. Neben der chaotischen und abgeschlagenen Improvisationstheatersendung In freier Wildbahn gibt es noch die eher traditionelle Liebesgeschichte mit Netzeinbindung Paris Berlin & in between, die mit ihrer vertrauten Prämisse und der relativ hohen Produktionsqualität bisher die meisten Wähler begeistern konnte.

Mein Favorit ist jedoch “Broken Links” von L. H. Jung und D. Siebold über einen Computervirus, der zunächst das Internet und dadurch auch unser Leben ins komplette Chaos stürzt. Ich mag diese High Concept Idee und mir gefällt das Verständnis und die Einstellung der Machern zum Netz:

Links sind die Essenz der Netzkultur. Eine Information ohne Verknüpfung ist wertlos. Erst die Verknüpfung macht eine Bewertung und Einordnung möglich. In „Broken Links“ werden alle Verknüpfungen neu sortiert.

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Weiterhin hat sich das Onlinekulturmagazin BiTS (jeden Mittwoch, ganz großartig. Die letzten Folgen gingen zum Beispiel über die Ninja Turtles, Halloweenkonsumismus, Transmediafranchiseforschung über z.B. Pokémon, etc.) diese Woche mit Netflix, Fernsehen und Algorithmen beschäftigt.

Ängste schüren, Kontrollverlustpanikmache und das alte System verteidigen, wenn auch mit einem Funken Wahrheit – das hätte man jetzt befürchten können. Stattdessen predigt das Video Eigenverantwortung und ich kann da nicht stärker beipflichten. Netflix zeigt einem nie wirklich das volle Angebot, das ist schon alleine auf Grund des Layouts und der großen Datenbank nicht möglich. Dafür muss man wohl zusätzliche Dienste oder schlicht Watchlists benutzen. Letterboxd gibt zum Beispiel unter den Filmeinträgen direkt die Möglichkeit den Film bei diversen Diensten wie Amazon, iTunes oder eben Netflix zu sehen, wenn er dort angeboten wird. Der Haken: Wirklich nützlich ist dies nur für Nutzer des amerikanischen Markts. Pfiffige deutsche Nutzer können sich aber über Umwege dort behilflich sein.

Die Sache mit der Einschätzung des Geschmacks trifft meiner Ansicht nach jedoch zu. Auch wenn das vorgeschlagene Angebot inzwischen mehr Marketingoberfläche geworden ist und man (minimal) nach den guten Titeln graben muss, sofern man nicht nach einem spezifischen Film sucht, trifft die Sterneeinschätzung stes meinen Geschmack. Wer also sehr wenig Zeit hat und seine Streamingstunden genau abwägen muss, kriegt hier eine gute Einschätzung. Allgemein ist es aber ein guter Tipp, nicht so naiv zu sein und sich immer auf diese Dienste zu verlassen und dann hinterher zu beschweren.

Jede Menge Hintergrundinformationen, Links, Bonus-Videos, etc. gibt es auf der offiziellen Seite zur Epsiode.

Am besten ist “Durch die Nacht mit”, wenn sich zwei sehr gleiche oder komplett ungleiche Personen treffen. Ungleicher könnte die Paarung in der gestrigen Folge kaum sein: Serdar Somuncu und Anne Will machen einen Tour durch Istanbul und die zwei verstehen sich als ob sie jahrelange Freunde wären. Ganz großartig und noch 7 Tage online!

Seit Somuncu auf der Bühne steht, beleidigt, attackiert und provoziert er hemmungslos. Legendär sind seine gewagten öffentlichen Lesungen aus “Mein Kampf”, die ihm zu Polizeischutz verhalfen, umstritten sein Bühnenprogramm “Hassprediger”, und durch seine selbst gedrehten “Hate-Night-Videos” wurde er schließlich zum Internet-Star. Immer wieder verwirrt er sein Publikum und seine Kritiker mit einem Wechselspiel aus Substanz und Plattitüden. Somuncu bewegt sich zwischen den Welten, ambivalent wie Istanbul.

Zwischen Moschee und dem schwul-lesbischen Verein Lambda, zwischen CNN und Rapstudio, zwischen Okzident und Orient lassen sich Anne Will und Serdar Somuncu durch die Metropole am Bosporus treiben. Dabei zeigt sie viel Sinn für Humor und er seine weiche Seite.

Durch die Nacht mit Serdar Somuncu und Anne Will

In der gestrigen Nacht strahlte arte erneut eine Folge von “Durch die Nacht mit…” aus, die langsam aber sicher zu meiner Lieblingssendung in mutiert. Dank arte+7 kann man sich das noch ein paar Mal anschauen, besonders dank Glovers einzigartiger, exzentrischer Art ein Schmuckstück der Sendereihe.