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Vereinigte Staaten, 2013
Regie: Andrew Niccol
Drehbuch: Andrew Niccol
Darsteller: Saoirse Ronan, Diane Kruger
Länge: 125 Minuten
Rating: ★☆☆☆☆

Während der Abspann über die Leinwand projiziert wird, dass man gerade den neuen Film von Andrew Niccol gesehen hat. Niccols Gattaca gehört für mich zu den zeitlosensten Filmen über den menschlichen Zustand, den besten Science-Fiction Filmen aller Zeiten und ist vielleicht mein definitiver Lieblingsfilm. Doch nach einigen mäßigen Versuchen den Erfolg zu wiederholen, erleidet er nun die völlige Bruchlandung.

Niccol ist stets faszniniert von innergesellschaftlich ausgetragenen Konflikten, die als Setting für intime menschliche Geschichten dienen. In Gattaca wird durch die Erschaffung von genetisch manipulierten Menschen eine neue Unterklasse geschaffen. In In Time wird Zeit zu Geld und die Unterprivilegierten sterben auf offener Straße, während die Reichen sich einer jahrhundertelangen Party sicher sein können. In The Truman Show ist die Gesellschaft selbst ein virtuelles Konstrukt, das in ständiger Gefahr ist mit ihrer Hauptperson in Konflikt zu geraten und so die Simulation zu zerbrechen.

Es ist also nicht verwunderlich, dass Niccol sich von Stephanie Meyers Roman The Host (deutsch: Seelen) angezogen fühlt. Wir beginnen wo Invasion of the Body Snatchers aufgehört hat. Der Kampf der Menschheit ist am Ende. Aliens, die sich als pulsierende, parasitartige Lichtigel in den Hirnstamm der Menschen einsiedeln, haben die Erde kolonialisiert. Sie übernehmen die Körper der Menschen und unterdrücken die Persönlichkeit ihres Wirts. Aber dabei meinen es die Aliens nur gut mit uns. Oder mit der Erde. Binnen weniger Wochen sind alle Probleme der Menschheit gelöst. Rassismus, Hunger und Gewaltverbrechen gehören der Vergangenheit an. Nur eine kleine Gruppe von Menschen schafft es noch Widerstand zu leisten.

In dieser Welt hat es Melanie Stryder lange geschafft zu überleben. Eines Abends wird sie in ihrer Wohnung von einem jungen Mann überfallen. Sein erster Instinkt, als er merkt, dass sie noch menschlich ist? Ein Kuss. Die beiden Überlebenden verlieben sich ineinander und führen ein gemeinsames Leben; immer auf der Flucht, bis Melanie entdeckt und in die Enge getrieben wird bis ihr letzter Ausweg der Sprung aus dem Fenster ist. Der sichere Tod, aber immer noch besser als Alien zu enden. Ihre Verfolger haben sich ganz der Erde angepasst. Die Außerirdischen passten sich der menschlichen Technologie an, verfügen aber über magische Heilsprays, die Tote wieder lebendig machen. So geschieht es mit Melanie, der daraufhin Wanda, kurz für Wanderer und eine uralte, viel bereiste Außerirdische, eingesetzt wird. Diese soll Melanies Erinnerungen anzapfen und die Seeker, unter Führung von Diane Kruger, auf die Spur der letzten Überlebenden bringen. Doch Melanie kann überleben und trägt im gemeinsamen Bewusstsein einen verbalen Kampf mit Wanda aus.

Diese Szenen sind unfreiwillig komisch, da Niccols selbst nicht weiß, wie er den inneren Kampf von Melanie und Wanderer auf die Leinwand übertragen soll. Zu meist verlässt Saoirse Ronan ein Gespräch, stellt sich ein wenig entfernt vom Geschehen hin und blickt in die Ferne. Dann hören wir die hallende Stimme Melanies, die Wanderer bittet, etwas zu tun oder etwas zu lassen. Wanderer spricht derweil ihren inneren Dialog mit Melanie laut aus. All dies geschieht während Charaktere weiterhin im Szenenbild stehen und verwundert die Situation beobachten.

Exposition findet über Voice-Over statt, das Setting und seine durchaus interessanten Auswirkungen auf das alltägliche Leben der neuen Welt werden nie betrachtet und sind für die Produktion gar nicht interessant. Dabei wäre genau dies in dem ohnehin viel zu langen Film eine notwendige Investition gewesen. Das mit größte Problem des Films ist, dass wir nie die eigentliche Invasion mitbekommen und die Motivationen der Aliens, insbesondere die von Dianes Krugers Seekerin, stets nebulös bleiben. Wieso jetzt diese autark im Versteck lebende Gruppe von Überlebenden unbedingt ebenfalls assimiliert werden muss, wird nie eindeutig erklärt und sogar von den Aliens in Frage gestellt. Als einziger Antrieb verbleibt der nie verdeutlichte Hass von Frau Seeker. Weiterhin leidet der Film unter seiner direkten Umsetzung. Auf dem Papier wird man nicht über jede Fahrt nachdenken, doch wenn ein Lastkraftwagen durch die Wüste Nevadas brettert und dabei unglaubliche Mengen Staub aufwirbelt, wirft dies die Frage auf, weshalb die Aliens nicht Satellitentechnologie nutzen um so die letzten Rebellen verfolgen zu können. Sie kennen immerhin das ungefähr Gebiet in dem sich die Rebellen befinden.

Aber all dies wäre doch zu entschuldigen. Immerhin handelt es um eine Liebesgeschichte für Teenager, die sich nicht wirklich den Hard-Sci-Fi Elementen seines Settings stellen will oder muss. Der Todesstoß kommt in Form der Vorlage, denn es handelt sich um eine Adaption eines Teenagerromans von der überzeugten Mormonin Stephanie Meyer (Twilight). Ihre Frauen sind schwach, müssen sich unterordnen und geschützt werden – sind dies all noch selbst schuld. In der Twilight-Reihe wird dies am deutlichsten sichtbar, wenn der eigentliche Held Edward seine Liebe Bella direkt in die Opferrolle zwängt:

It is partially your fault. If you didn’t smell so appallingly luscious, he might not have bothered.

Victim blaming 101. Und genau so ist es auch in Seelen, nur noch schlimmer. Wir lernen nie viel von der Vorgeschichte, der Invasion oder wie Melanie all die Zeit überlebt hat. Sie hatte Glück und passte sich an. Daraufhin wird sie überrumpelt und direkt geküsst. Eine Liebe entsteht von der wir nie viel sehen. Meyers Verständnis einer Beziehung bewegt sich auf dem Niveau ihrer Leserschaft. Küssen heißt Liebe.

Weiterhin erfahren wir nie, weshalb Melanie von den Seekern aufgespürt wird. Wieso befindet sie sich in diesem Gebäude zu diesem Zeitpunkt? Wieso ist sie alleine? Alle Tatumstände sind unbekannt. So ist es besonders bezeichnend, dass die erste Reaktion auf ihre Rückkehr zur Rebellengruppe ein Faustschlag ins Gesicht ist – von ihrem Freund. Klar, Wanderer hat von Melanie Besitz ergriffen, aber Melanie steht doch noch immer vor ihm. Ist es auch ihre Schuld? Hat sie nicht genug aufgepasst? Hat sie es provoziert? Wir erfahren es nie und fühlen die Verzweiflung und Verwirrung in negativem Sinne, die durch die Morddrohungen direkt auftreten. Nein, das Opfer kann nicht mehr in die Gemeinschaft zurück, es muss aussortiert werden. Es ist zu bestraften. Immerhin drang etwas in sie ein und nun ist sie nicht mehr wie zuvor oder es wert, geliebt zu werden. Ob dies gegen ihre Willen geschah, spielt keine Rolle.

Die Auflösung des nervigen Beziehungsdreiecks geht ganz ähnlich wie in der Vampir-Quadrilogie von statten. Die Protagonistin teilt sich einfach in zwei und jeder Mann bekommt eine ab. So muss es sein im Patriarchat. Ein einziger Lichtblickt bleibt hierbei, dass es sich nicht erneut um ein Kind handelt.

Nein, The Host ist nicht Andrew Niccols großartige und erhoffte Rückkehr zum intelligenten Science Fiction Kino. Dafür adaptiert er auch ohnehin das falsche Buch. Aber auch die ästhetischen Entscheidungen sind nicht immer nachvollziehbar. Immerhin heißt es in den Credits “Written for the Screen”, was ein paar gewisse Freiheiten bei einem Auteur dieses Formats andeuten könnte. Die Umsetzung bewegt sich jedoch tragischerweise sklavisch nah an ihrer Vorlage, die ihre Zielgruppe schändlich behandelt und mit falschen Moralvorstellungen für das Leben vorbereitet. Der Schaden des Films wirkt über den Kinobesuch hinaus.

Ich bin ein großer Fan von Andrew Niccols Werk. ‘Gattaca’ ist einer Lieblingsfilme und ‘The Truman Show’ halte ich für ganz großes Sci-Fi und einen der besten Filme der Neunzigerjahre. Jetzt hat er seinem eher durchschnittlichen Gattaca-Rehash ‘In Time’ Stephanie Meyers ‘Twilight’-Nachfolger ‘The Host’ adaptiert, wobei es sich im Grunde um ‘Invasion of the Body Snatchers’ mit Liebesgeschichte handelt. Schnarch.

Der Teaser war ja eher mau, doch der erste lange Trailer schaut eigentlich ganz okay aus. Vielleicht bin ich auch nur nicht gewillt, Niccol zu bashen.

Das Marketing ist zwar, wie am Poster zu sehen ist, ganz im Stile der ‘Twilight’-Kacke gehalten, aber ich bin gewillt mich da durch zu kämpfen. Mal abwarten. Apropos: Saoirse Ronan hat hierfür eine Rolle in ‘The Hobbit’ stehen lassen. Kann sich auszahlen für ihre Karriere, ich würde es ihr gönnen. Finanzieller Erfolg ist bei dem Kram hier nämlich so gut wie sicher.

via /Film

Vereinigte Staaten, 2011
Regie: Andrew Niccol
Drehbuch: Andrew Niccol
Darsteller: Justin Timberlake, Amanda Seyfried, Cillian Murphy
Länge: 109 Minuten
FSK: 12
Rating: ★★★☆☆

“No one should be immortal if even one person has to die.”

Andrew Niccol ist ein wahrer Auteur, ohne Zweifel. Sein großer Durchbruch Gattaca ist bis heute kaum gealtert, die Dialoge immer noch zeitgenössisch und die Thematik könnte kaum aktueller sein. In ‘In Time’ nimmt sich Niccol erneut angeborener sozialer Ungerechtigkeit an: Die Menschen hören ab 25 auf zu altern und Zeit wird zur Währung. Die Superreichen sind praktisch unsterblich, während die Armen täglich buchstäblich ums Überleben kämpfen. Die Menschen leben dank Segregation in verschiedenen “Zeitzonen”. Die restliche Lebenszeit wird auf dem linken Unterarm digital abgebildet und kann per Handschlag mit jedem Individuum getauscht werden.Will Salas (Justin  Timberlake) kommt von ganz unten. Eines Tages trifft er einen steinalten Mann, der ihm seine Zeit schenkt, weil er nicht mehr leben möchte. Doch das System sieht sowas nicht gern…

Es ist eine interessante Welt, die Niccol dort kreiert. Dennoch erinnert sie natürlich an Gattaca. Wenn es 1997 Sozialkritik an der immer prominenter werdenden Genforschung war, ist es 2011 die Kritik am Kapitalismus, der sozialen Ungerechtheit, der Wall Street und allgemein eine Allegorie für die Unterschiede in den USA, ausgelöst durch die Finanzkrise. Problematisch ist dabei nicht was Niccol mit ‘In Time’ ausdrücken will, sondern wie, denn verschwunden sind die wunderschönen Dialoge, der stille Kampf um Menschlichkeit, der fantastische Soundtrack oder das Geschick einer subtilen Kritik, gewichen für mehr Action und Dialoge, die keine mögliche “time”-Referenz (‘We’re running out of time.’, ‘Don’t waste my time.’, uvm.) auslassen.

Am ärgerlichsten aber ist die Welt, die uns Niccol verkaufen will. Will erklärt uns in den einleitenden Sätzen des Films, dass er nicht weiß, wie es dazu kam, dass die Zeit als Währung genutzt wird, oder dass niemand mehr altert – und das muss uns Zuschauern dann auch schon als Begründung reichen. Niccol beraubt sich hier selbst, denn gerade die Szenen in Gattaca, die genau zeigen, wie Unterschiede entstehen, wieso und warum jetzt genetisch veränderte Embryos natürlichen vorgezogen werden, lassen die Welt real und greifbar wirken, sie machen sie menschlich.

Die Welt von ‘In Time’ existiert schon eine ganze Weile. Es gibt Menschen, die haben schon mehr als ein Jahrhundert auf dem Buckel – und die Zeit musste ja auch erst einmal so voranschreiten, damit wir eine Technologie besitzen, die uns nicht mehr altern lässt. Es ist also fair anzunehmen, dass der Film 160-200 Jahre in der Zukunft spielt. Der klassische Retrostil, der schon in Gattaca präsent war, ist auch hier wieder zu finden. Es ist sogar vorstellbar, dass beide Filme im gleichen Universum spielen. Aber Gattaca zeigte uns eine Zukunft, die vielleicht in den 2030ern spielt – nicht 2230. Wohl dem 40$ Millionen Budget geschuldet, sieht ‘In Time’ verdammt alt aus. Sollen wir daraus schließen, dass der technologische Fortschritt zur Ruhe kommt, nur weil der Mensch aufhört zu altern? Höchst unwahrscheinlich.

Fazit: In Time ist ein solider Action-Film mit guten Schauspielern und einem klugen Regisseur / Autor, der etwas zu sagen hat. Das gibt es noch selten heutzusage auf so großem Stil. Und dennoch bleibt ‘In Time’ hinter den Erwartungen eines Auteurs zurück, der Gattaca gemacht hat. Nicht subtil genug, oft mit dem Knüppel wird einem die Sozialkritik eingehämmert; cheesige Dialoge und eine Geschichte, die gegen Ende immer dünner wird, helfen auch nicht.

Leider Gottes wird uns im November der letzte Teil von Twilight in die Kinos kommen. Autorin Stephanie Meyer hatte ja schon mehrfach angedeutet, dass sie vielleicht mal ein fünftes Buch schreiben wird, doch selbst wenn, würde es lange dauern, bis dieses verfilmt werden würde. Währenddessen versucht man den lodernden Twilight-Craze noch solange auszubeuten, wie man kann, und verfilmt das einzige Nicht-Twilight-Buch von Stephanie Meyer namens ‘The Host’.

In ‘The Host’ verlässt Meyer Vampire und wechselt in die Science-Fiction und lässt eine Alienrasse namens The Souls auf der Erde landen. Diese Aliens verbinden sich mit den Menschen und löschen langsam aber sicher Erinnerungen, Persönlichkeit und Gefühle. Melanie Stryder (gespielt von Saoirse Ronan), ein jugendliches Mädchen, wehrt sich verzweifelt dagegen. Hört sich ziemlich nach einem weiteren Remake von ‘Invasion of the Body Snatchers’ an. Von dem hat meine Freundin noch nie gehört (Ich liebe sie trotzdem!), dafür hat sie das Buch aber gelesen und fand es ziemlich gut. Die Geschichte muss sich mit wesentlich mehr als nur Liebe beschäftigen, sondern wirklich interessante Konzepte und Ideen ansprechen.

Diese Ideen werden auch im Teaser erwähnt – neu sind sie aber nicht.

via FirstShowing

Immerhin führt mit Andrew Niccol ein fähiger Mann Regie, der einen meiner Top5-Lieblingsfilme aller Zeiten fabriziert hat, nämlich ‘Gattaca’. Für ‘The Host’ schrieb er sogar das Drehbuch. Seit letztjähriger Film ‘In Time’ war trotz manierlichen Schauspielern und einer fantastischen Grundidee aber leider nur mittelmäßig. Der Teaser selbst ist meiner Ansicht nach auch verdammt langweilig und wirklich schlecht gemacht. Erinnert mich an Fan-Trailer auf YouTube. Aber hey, das Talent ist das und die Grundidee hat sich in den letzten Jahrzehnten bewährt. Wer weiß, vielleicht wird es was. Kinostart ist in etwa einem Jahr.