Willkommen im Schmerz: Über The Last of Us Part II und Gewalt - PewPewPew


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The Last of Us erzählt eine ergreifende Geschichte über Liebe und Kameradschaft in einer postapokalyptischen Welt übersäht mit alltäglicher und brutalster Gewalt. Während virale Pilzsporen die Mehrheit der Menschen zu fiesen Zombies hat werden lassen, kämpfen die Überlebenden zwanzig Jahre nach dem Untergang um die letzten Ressourcen. Joel, der beim Ausbruch des Virus’ seine Tochter verlor, ist gestählt vom Alltag und emotional von seinen Handlungen abgeschottet. Erst als Ellie, die scheinbar völlig immun gegenüber dem Virus ist und die Rettung der Menschheit zu sein scheint, in sein Leben tritt, beginnt Joel sein Credo “Durchhalten und Überleben” Schritt für Schritt zu hinterfragen. Die junge Ellie, ungefähr im Alter von Joels verstorbener Tochter, kann ihn mit ihrer Unschuld, einer lebensbejahenden Neugier und Fröhlichkeit langsam auftauen.

The Last of Us versetzt uns für die meiste Zeit in die Rolle von Joel. Die anfängliche Zurückhaltung der beiden Protagonisten weicht schnell. Beide spüren, dass sie einander brauchen. Die Beziehung funktioniert, ihre Darstellung ist authentisch geschrieben und fantastisch gespielt sowie inszeniert. Kaum ein Spiel vereint Gameplay so eng mit seinen Themen wie The Last of Us.

Joel soll Ellie an das andere Ende der USA an eine Gruppe von Rebellen liefern, die Ellies Immunität politisch wie humanitär nutzen wollen. Im Laufe des Spiels verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen Idealismus und Überlebenskampf, in einem Rausch aus Gewalt – ausgelöst durch die Feinde, die Joel und Ellie jagen, oder unsere Protagonisten selbst.

Druckmanns graue Vision einer postapokalyptischen Welt ist so kompromisslos wie selten. Überleben bedeutet in The Last of Us töten, Schwäche zeigen bedeutet sterben. Die rücksichtslose Gewaltdarstellung steht im harschen Kontrast zur Schönheit der Natur, die Städte und Landschaften zurückerobert hat. Der Spieler reflektiert diese Entwicklungen über vier Jahreszeiten hinweg und durch etliche Begegnungen mit verschiedenen Charakteren. Schlussendlich rettet Joel seine Ziehtochter vor den Verbündeten. Es ist eine völlig egoistische und selbstgerechte Entscheidung gegen vermeintliche die Rettung der Welt, deren Recht auf ein Überleben angesichts ihrer Verkommenheit in Frage gestellt wird.


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Joels Entscheidung aus Liebe führt zu Hass. Druckmann hat letztes Jahr bereits bekannt gegeben, dass sich der zweite Teil noch stärker mit Ellies Emotionswelt beschäftigen wird: “If the first game was really about the love between these two characters, this story is the counter of that. This story is about hate, through Ellie this time. The first game you play as Joel, this game you play as Ellie.” Was macht das mit einer Welt, der der Wert auf ein Weiterleben abgesprochen wird? Was macht es mit einer Figur, der das Recht genommen wurde, selbst über ihr Schicksal zu entscheiden?

Am Ende von The Last of Us knickt Ellie ein. Verbunden durch den fantastischen DLC Left Behind versteht man, wie Ellie Joels Lüge leicht durchschaut und sie trotzdem nicht auffliegen lässt. Sie versteht Joels egoistische Entscheidung für ein persönliches Glück und gegen die Rettung der Welt. Denn wie wahrscheinlich ist es, dass die Fireflies tatsächlich die Menschheit gerettet hätten? War sie nicht schon zu weit vom rechten Pfad abgedriftet? Wie in allen postapokalyptischen Geschichten sind auch in The Last of Us nicht die Monster, sondern die anderen Menschen die gefährlichsten Feinde. Wichtige Werte, Institutionen und Traditionen sind über Jahrzehnte im Chaos verloren gegangen. Die Menschheit ist es nicht mehr wert, gerettet zu werden.

Was folgt, ist ein letztes Aufbäumen. Aus verletztem Stolz oder purem Trotz. Es ist klar, dass sich die Gewalt in The Last of Us Part II nur intensivieren kann. Die bisherigen Reaktionen und Trailer unterstreichen dies massivst. Besonders der zweite Trailer, der bis auf das Ende keine direkten Beziehungen zum ersten Teil aufweist, wurde für seine kompromisslose Gewaltdarstellung stark kritisiert, insbesondere weil Frauen die Opfer von Gewalt sind. Julia Alexander beklagt auf Polygon hauptsächlich einen Mangel an Kontext. Wieso werden die Frauen so brutal behandelt, verletzt und gefoltert? Dass es noch ein Mysterium ist und später aufgeklärt wird, sei zu wenig um diese Darstellung angesichts der langen Problematik um Frauen und Gewalt in Videospielen zu rechtfertigen. Mit dem ersten Spiel sei Joel ebenfalls brutal vorgegangen, aber die Mission sei klar gewesen und somit stünde die Gewalt nicht im leeren Raum.


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Diese Haltung ist schwer nachvollziehbar, handelt es sich doch um ein direktes Sequel zu The Last of Us, das diese Gewalt nicht nur in einen Kontext setzte, sondern im Gameplay direkt erfahrbar machte und in der Fortsetzung auch weiterdenkt. Beide Einblicke in die Geschichte zeigen uns, dass vor nichts haltgemacht wird und die Stimmung konsequenterweise noch düsterer wird. Druckmann dazu: “The violence you see inside this world isn’t gratuitous and over-the-top just for the sake of being violent. It’s setting a tone. It’s setting a reality that Joel and Ellie are having to deal with. Everything has to feel tense. Everything has to feel grounded in reality. The reason why we’re going for such realistic violence is because we want you to believe that the stakes are high for Ellie and Joel.” Und die Risiken könnten für Joel und Ellie in dem Sequel nicht höher sein. The Last of Us macht eindeutig klar, dass die Geschichte dieser Spiele in einer absolut hoffnungslosen Welt spielen. Joels Entscheidung am Ende des ersten Teils wurde vom Spieler mitgefühlt.

Es gibt durchaus kontroverse Haltungen zu dem Ende, da es keine alternativen Enden anbietet, doch ich war zu diesem Zeitpunkt voll in Joel drin und konnte problemlos nachvollziehen, wieso er Ellie rettet. Eben genau weil ich mich durch mehrere Stunden als Spieler direkt gekämpft habe. Ich weiß, wie mühevoll, unnachgiebig und hoffnungslos diese Welt ist. Alles in ihr möchte mich töten, man gönnt mir kaum eine ruhige Minute und wenn, dann wird unterstrichen, dass die alte Welt nur noch stört und eine posthumanistische Zukunft keine schlechte Alternative darstellt. Joel erkennt nur noch durch Ellie, dass es ein wenig Hoffnung geben kann – auf einer persönlichen, zwischenmenschlichen Ebene, aber stets im Kampf gegen die Umwelt. Und vielleicht mit einer neuen Generation. Noch ist wenig bis nichts über die Story des Sequels bekannt. Aber Ellie ist hasserfüllt und will Rache (ich tippe auf eine Geschichte um ihr Kind und Mütter generell). Die Möglichkeit, dass sie sich ihre Unschuld und Liebe zu der neuen Welt bewahrt, wird bereits im Trailer verworfen.

Womöglich handelt es sich sogar bei dem Teaser um Ellies Mutter, sodass Part II eine Art Prequel im Sequel im The Godfather Part II-Style darstellt, wie Game Pro spekuliert. Das ist durchaus möglich, Druckmanns Uncharted 4 hat es vorgemacht, aber auch so funktioniert der Traile perfekt als tonale Wiedereinführung in eine Welt voller Ungerechtigkeit, die nicht auf Geschlecht, Herkunft oder Persönlichkeit achtet. Willkommen im Schmerz.


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