13 Feb, 2017 · Sascha · Games
Ich erinnere mich noch recht klar an einen Schulausflug in der zwölften Klassen. Gemeinsam mit anderen Freiwilligen hatte ich mich für einen Vormittag an der Universität Kaiserslautern angemeldet, der uns Schülern den Alltag eines Studenten näherbringen sollte. Ich erinnere mich, dass der Tag und die Planung relativ chaotisch waren, wir Schüler wurden relativ lieblos auf dem Campus abgeliefert und mussten uns fortan schnell selbst orientieren. Ich weiß noch, dass ich mich fürchterlich in einem Statistik-Seminar langweilte und eine Vorlesung über Mathe frühzeitig verließ.
Aber ich weiß auch, dass ich durch einen Zufall in einem Saal landete, in dem ein Professor Virtual Reality vorstellte. Das war ungefähr im Jahr 2005/2006, als VR noch recht unsexy war. Ich war trotzdem happy, dass ich endlich von all den Zahlen erlöst wurde und mich in eine andere Welt flüchten konnte. Die Welt war aber ebenso karg wie mein erster Eindruck der Universität. Genau wie in den Achtzigern wurde ich durch pinke, bläuliche Räume gefahren, in denen mich eine Frau mit gefühlt drölf Polygonen begrüßte.
Damals lamentierte der Professor den Zustand von VR. Eigentlich habe sich seit den Neunzigern und Achtzigern nicht wirklich viel verändert. Die Technik ist gleich geblieben, die Anwendungen begrenzt. Etwas mehr als zehn Jahre später sitze ich auf der Couch eines Freundes und spiele die Star Wars Battlefront VR Mission, in der ich mich durch ein Asteroidenfeld bewegen muss und einzelne große Brocken vom Himmel schieße, um Jyn Erso aus den Händen des Imperiums zu befreien.
Heute ist VR fast überall. Zumindest hat die Revolution so langsam Fuß gefasst. Es gibt VR Games, VR Operationen, VR Filme, es gibt Einsätze in der Bildung, beim Militär, usw. Die Möglichkeiten scheinen fast endlos. Sobald die Kabel in ein paar Jahren weg sind, startet VR richtig durch. Dass ich zunächst aber in einer weit, weit entfernten Galaxie meine erste richtige Erfahrung machen sollte, passte wie die Faust aufs Auge.
Als Star Wars Fan sollte dies eigentlich das Höchste der Gefühle mich sein, endlich sitze ich im Cockpit eine vollfunktionsfähigen X-Wings und schieße TIE-Fighter ab. Und ja, klar, die Erfahrung ist ziemlich nett, haut mich aber auch nicht wirklich um. Die Aufmerksamkeit liegt hauptsächlich in der Mitte meines Schutzschildes, das Fadenkreuz muss eben auf die Gegner gezielt werden. Natürlich kann man sich umschauen und die Flotte der Rebellenallianz oder das Asteroidenfeld genießen, aber im Prinzip bleibe ich doch irgendwo in der Mitte hängen. Das unterscheidet sich nicht wirklich von dem normalen Battlefront Gameplay auf dem Computer oder der PlayStation 4.
Ich war also ein bisschen enttäuscht. Bis ich gestern zum ersten Mal Resident Evil 7 mit einem VR-Set spielen durfte und ich bin absolut begeistert. Obwohl Zombies generell extrem cool sind, fand ich noch nie wirklich zu dem Franchise. Das liegt vor allem daran, dass mich mein Cousin als Kind erschreckte, als er mir sagte, die Luft wäre rein und ich könne bei dem schlimmen Intro die Augen öffnen, als da diese Leiche mit dem Auge (oder so?) von einem Hund gefressen wurde. Wie auch immer, es könnte auch etwas damit zu tun haben, dass ich keine PlayStation, sondern ein Nintendo 64 besaß.
Trotzdem reizte die Serie mich bis dato nie. Das Survival-Horror-Genre hat in den letzten Jahren Resident Evil schnell vergessen, während andere Indie-Titel beeindruckende Ergebnisse abliefern konnten. Capcom hat nun aber glorreich zurück zu den Wurzeln des Franchises gefunden. Erneut erkundet man ein großes Haus, mit dem Unterschied, dass nun alles aus der First-Person in Verbindung mit VR erlebbar wird und das ist mindestens genau so beängstigend wie man sich es vorstellt, wahrscheinlich mehr.
Was Resident Evil so viel besser macht im Vergleich zu Battlefront ist die emotionale Verbindung, die ich mit der Spielsituation eingehe. Das Spiel ist exzellent darin, ein konstantes Bedrohungsszenario zu kreieren, das einen kontinuierlich dazu bewegt, aufmerksam und langsam durch das Haus zu schleichen – nur für den Fall, dass eventuell doch hinter der nächsten Ecke ein Gegner auf einen wartet. Und das tun sie eigentlich recht oft. Es wird zwar viel mit Licht und Schatten gespielt, doch die Gefahr ist wahr, der Spieler ist nicht verrückt. Jeder Gegner kann einen töten, jede Situation wird von fight-or-flight bestimmt. Zusammen mit den Dialogen der Gegner und ihren langsamen, aber bestimmten Schritten in Richtung des Spielers wird eine Situation erschaffen, die ich noch nie erlebte.
Kurz auf den Punkt gebracht: Ich fürchte mich. Mehrmals reiße ich mir die Brille vom Kopf, um diesem Albtraum zu entfliehen. Ich habe tatsächlich Angst um mein Leben. Ich verschmelze mit der Spielfigur – auch weil ich den Storyanfang nicht mitbekam und relativ wenig vom Spiel insgesamt weiß. Aber wie eindrucksvoll mir Resident Evil ein Gefühl der puren Angst kreiert, ist beispiellos. Meine erste Reaktion war, dies nur abzutun. Geisterbahn in Videospielform. Gerade weil ich mit The Last Guardian gerade ein beeindruckendes Spiel beendete, das viele Emotionen in mir hervorruf, versuchte ich diesen Mainstreamkram von mir zu weisen und als Trash abzutun. Bis ich merkte: Ey, das machst du nur, weil deine Angst runterspielen willst. Ich war leicht peinlich berührt, dass mir das Spiel eine Situation so näherbringen konnte.
Ich weiß nicht, ob sich das ausschließlich so später auf Horrorspiele beschränken wird; aber wenn das die Zukunft von VR ist, dann Hut ab. Wenn ich mir die bisherigen Gameplay-Aufnahmen auf YouTube von VR-Spielen ansah, dachte ich mir: Oh, nette Spielerei. Bei Battlefront dagegen macht es Sinn. Natürlich kann der Pilot sich umschauen, also möchte ich das auch können. Doch wirkliche Gefühle konnte erst Resident Evil in mir hevorrufen, indem es mir etwas näher bringt. Ob dieses etwas per se als Angst oder Emotion definiert werden muss, sodass VR erfolgreich ist, sei mal dahingestellt. Aber das Gefühl bleibt trotzdem zurück. Und das ist schon eine starke Leistung eines Spiels.