Pokémon Go ist kein gutes Spiel. Das ist nicht schlimm, wenn auch etwas schade. Die Liste der Probleme ist lang. Damit sind nicht die Bugs gemeint, die das Spielvergnügen aktuell plagen. Es geht um grundlegende Designfehler in der aktuellen Version des Spiels.
Die Liste ist lang
So werden Spieler ab einem gewissen Level fast schon zum Kaufen von Items genötigt, da der Fortschritt sonst fast unmöglich ist. Weiterhin können Spieler aktuell Pokémon nicht miteinander tauschen. Die Kämpfe der Pokémon in den Arenen sind lächerlich, da man nur auf den Touchscreen hämmert und keine Attacken auswählen kann. Wilde Pokémon kann man nicht schwächen, sondern muss sie mit Beeren anlocken. Wer aufsteigen will, muss Pokémon fangen. So viele, wie möglich. Dann werden diese verschickt und man erhält Sternenstaub und Bonbons. Das Leveln der Pokémon, ein Prozess bei dem der Spieler eine tiefere Verbindung zu dem Tier formt, ist damit nicht existent.
Die Liste ist noch länger, aber ich ziehe hier mal einen Schlussstrich. Trotz alledem ist Pokémon Go ein Hit. Inzwischen flacht der Hype wieder etwas ab und nach nun genau fünf Wochen Spielzeit befinde ich mich an einem Punkt, an dem ich gerne ein Fazit ziehen würde.
Spaß durch, aber nicht mit dem Spiel
Pokémon Go, das Spiel, macht mir keinen Spaß. Jedoch empfinde ich die Nebeneffekte des Spiels als ganz großartig. Man trifft neue Leute, verabredet sich zu Touren in der Stadt und wird allgemein aktiver. Die Rolle des Spielers wurde zum ersten Mal spürbar durch ein Spiel revolutioniert. Fabu hat ebenfalls über die positiven Effekte durch das Spiel bei der Bekämpfung seiner Sozialphobie geschrieben.
Auch ich gehe wieder mehr zu Fuß, um Poké-Eier auszubrüten. Ich gehe gezielt Umwege, sodass ich mehrere Poké-Stops abchecken kann. Die positiven Aspekte des Spiels sind unbestreitbar. Es gibt jedoch einen Aspekt, der mich nervt – und das schon seit der ersten Woche der Spielzeit. Es geht um einen ganz zentralen Punkt, den man nicht so leicht wegpatchen oder verändern kann. Auch der Trailer selbst zeigt ihn ganz prominent.
Der Spot zeigt viele Features, die es aktuell noch nicht gibt und oben beschrieben wurden, wie etwas das Tauschen von Pokémon oder den direkten Zweikampf gegen Leute, denen der Spieler begegnet. Das ist nicht schlimm. Diese Features werden kommen – ob dies rechtzeitig geschieht, ist eine andere Frage. Aber sie werden kommen. Das wichtigste Feature jedoch ist bereits eingebaut. Und es wurde auch in dem Trailer gezeigt. Es geht mir um genau diesen Moment.
Niantic
Ein Vater ist mit seiner Tochter dabei, ein Glurak zu fangen. Wilde Pokémon kann man aktuell bereits fangen; sie entdecken, sie beobachten und dann mit einem gezielten Pokémonball-Wurf einfangen. Es klappt, es funktioniert. Die Leute lieben es. Die knuffigen Pokémon ermöglichen vielen Menschen erste Erfahrungen mit augmented reality.
Poké-Welt oder Poké-Skin?
Doch es gibt ein Problem. Der Vater und die Tochter entdecken dieses Glurak in der Wildnis. Sie haben gemeinsam lange danach gesucht und sind dann in dem Habitat der Gluraks auf ein Exemplar gestoßen. Sie finden Glurak nicht an einer Ecke in Friedrichshain, nicht an einer S-Bahn Station oder in einem Krankenhaus. Sie finden Glurak draußen, an einem Hang, in einem Nest.
Und diesen Moment habe ich nach fünf Wochen noch nicht einmal erlebt. Pokémon Go kann mir zu keinem Zeitpunkt das Gefühl vermitteln, dass ich in Kanto, Johto oder sonstwo rumlaufe. Stattdessen benutze ich die Spielstationen und die Karten von Niantics Spiel Ingress, einem Science Fiction Spiel, dessen Schlüsselfunktionen eins zu eins auf Pokémon Go übertragen wurden. Ein Beispiel: Ich kann in der Stadt binnen weniger Meter mehrere Poké-Stops abchecken und Items erhalten. Das ergibt Sinn, immerhin befinde ich mich in der Stadt. Gleichzeitig kann ich aber in der Stadt und vor allem um Poké-Stops herum, deren Lockmodul aktiviert ist, extrem viele Tierchen fangen.
Das ergibt wenig Sinn, immerhin hatten die Menschen in Kanto große Zäune um ihre Städte. Die Aufteilung war klar: In der Stadt gibt es Poké-Center, Sicherheit und weitere Infrastruktur; in der Wildnis gibt es freilebende Pokémon. Dass sich das nicht auf Großstädte wie San Francisco oder New York City übertragen lässt, sollte selbstverständlich sein. Deshalb ist es zu tolerieren, dass die Menschen scheinbar friedvoll mit flammenden Einhörnern und fliegenden Drachen in Manhattan koexistieren.
Die festen Spawnpunkte der Pokémon sorgen jedoch dafür, dass auf dem Land relativ tote Hose ist. Selbst hier nahe dem Weiher eines Wohngebietes, wo sich eine Vielzahl an realen Tieren befindet, lässt sich kein Pokémon finden. Dabei wäre das doch gerade dies ein perfekter Ort. Aber nein. Nach 1 Stunde und mehreren Runden um den Weiher und die umliegenden Gebiete gab es kein einziges Pokémon zu sehen.
Die Suche ist nie natürlich. Mein Instinkt wird nicht gebraucht. Ist man nahe eines Gewässers, sollte man doch Wasserpokémon fangen können. Stattdessen aber hat das Spiel feste Spawnpunkte; es registriert meine Umwelt nicht. Und so kann es passieren, dass man stundenlang durch einen Wald sparziert und am Ende keinem einzigen Pokémon begegnet – während es sich im Stadtpark dutzende Spieler auf Liegestühlen gemütlich gemacht haben und an einer Stelle, an der sich Poké-Stops überlappen, ihr Level hochgrinden. Das kann nicht Sinn des Spiels sein.