Mir hat es im letzten Jahr großen Spaß bereitet, meine Lieblingsmomente aus Filmen zusammenzustellen und genau aus diesem Grund werde ich deshalb auch dieses Jahr wieder eine kleine Übersicht erstellen. Mit dem “Moment” im Titel ist bewusst ein Begriff gewählt worden, der sehr offen interpretiert werden kann, da sowohl längere Sequenzen, einzelne Szenen oder auch manchmal eigentlich nur eine Einstellung gemeint sein können.
Fantastic Four – Dr. Dooms Scanners Szene
Josh Trank kann einem schon ein bisschen leid tun. Ganz unschuldig an dem Fiasko ist er natürlich nicht, aber was am Ende mit seinem Film gemacht wurde, ist sehr schade. Fox hat Fantastic Four schnell produziert, bevor die Lizenz zurück an Marvel Studios gegangen wäre und dann hat man eben auf den vielversprechenden Regisseur von Chronicle gesetzt, ohne sich wirklich für seine Vision zu interessieren. Während Fox eine typische Origin Story wollte, um die erste Superheldenfamilie der Comic-Geschichte später mit den X-Men zu einem Avengers-mäßigen Eventfilm zu kombinieren, wollte Trank im Film herausfinden, was es wirklich für einen Menschen bedeuten würde, wenn er zum Beispiel plötzlich in Flammen steht.
So richtig geglückt ist das ihm nicht. Und spätestens ab der Mitte des Films, nach dem Unfall, gibt es einen richtigen Bruch in dem bis dahin sehr vielversprechenden Plot, der fortan zu einem Haudrauf-Finale ohne Sinn führt. Ab und an blitzt jedoch Tranks originale Vision durch, wie hier in diesem Scanners-Moment, als Dr. Doom aus der Basis ausbricht und Köpfe zum Platzen bringt. Cronenberg und body horror sind im Film auch vorhanden, aber im Blockbusterkino von 2015 ist für solche kreativen Ansätze kaum noch Platz. Schade.
The Force Awakens – BB-8s Daumen Hoch
BB-8 ist so süß. Es gibt wirklich viel zu kritisieren an The Force Awakens, aber BB-8 ist nicht nur ein technologisches Wunderwerk, sondern auch eine Figur mit Herz, Identität und Charakter. Wie er sich zwischen Rey und Finn kurzzeitig nicht entscheiden kann, ist einfach herrlich. Ebenso schön ist, dass man sich nicht so wirklich hundertprozentig sicher sein kann, ob seine Flamme jetzt ein “Daumen hoch” oder eher der Stinkefinger war. Die Szene gibt es natürlich noch nicht online (nur abgefilmt), weshalb ich sie einfach mal nachgemalt habe. Malen soll ja therapeutisch sein.
Steve Jobs – Woz and Steve
Eigentlich wäre meine Lieblingszene wohl die, in der Steve Jobs mit seiner Assisstentin in einem langen Gang steht, die Kamera zurückfährt und die Wand hinter Jobs seinen Monolog mit Motiven der Saturn V Raketen und diversen anderen Dingen verbildlicht. Der Clip ist aber ebenfalls noch nicht online, weshalb ich mich für meinen zweiten Lieblingsmoment des Films entscheiden muss. Eigentlich finde ich die Diskussion von Jobs und Apple CEO John Sculley im Jahr 1988 kurz vor der Präsentation des NeXTcubes auch sehr gut, da sie völlig mühelos und stringent eine Argumentation über mehrere Orte und Zeiten präsentiert, aber Seth Rogen als Woz gefiel mir noch ein Stück besser. Rogens Figuren haben immer eine sehr aufrichtige Verletzlichkeit, die nie überdreht oder unpassend wirkt. Seine unglaubliche Wut auf Jobs, ohne ihm jedoch die Freundschaft zu kündigen, ist eine Eigenschaft, die ich sehr gut nachvollziehen kann.
The Martian – End Credits
Ebenfalls noch nicht online. Ich liebe Disco-Musik und “Love Train” von The O Jays gehört seit Jahren zu meinen absoluten Lieblingssongs. Der Song passt perfekt zu Message des Films. Natürlich ist das alles recht simpel und auch dick aufgetragen, aber wenn die Intention gutmütig und der Punkt unterstützenswert ist, kann ich da gerne drüber hinwegsehen. Bei der NASA und dem hier zelebrierten Fortschrittsglauben geht das klar.
Ex Machina – Get Down Saturday Night
Pure Liebe. Kam für mich völlig unerwartet und passt dennoch so großartig in den Film und zu der Figur.
Magic Mike – I Want It That Way
Magic Mike ist ein Film, in dem im Grund nichts auf dem Spiel steht. Es gibt keine wirklichen Risikos, die Jungs kommen einfach für eine letzte Show zusammen und wollen ihr Bestes geben, sodass sich die Ladies gut unterhalten fühlen. Das gelingt ihnen am Ende natürlich, aber der vielleicht spannendste Moment – mit den größten stakes – findet zu Beginn des Films in dieser Tankstelle statt. Dort muss Big Dick Richie die Kassenwärtin zum Lachen bringen und ihr mit seiner Darbietung den Tag versüßen. Und, achja, genau: Er tanzt zu “I Want It That Way” von den Backstreet Boys. Fantastisch.
Bone Tomahawk – Cannibal Splitting
Von dieser Szene gibt es ebenfalls noch kein Video auf Youtube und vielleicht ist das auch besser. Bone Tomahawk wird nun als Kannibalwestern geführt und während das nicht grundlegend falsch ist, würde ich es kritisieren, dass der “Twist” so früh verraten wird. Natürlich ist von Beginn an klar, dass die hartgesottenen Grenzbewohner es mit verrückten Wilden zu tun haben, die die Weißen verspeisen – aber es ist noch nicht so wirklich klar, wie krass diese Ureinwohner dann tatsächlich drauf sind. Das wird dann auch erst klar, wenn es zu spät ist: Der einzige noch junge und körperlich fähige Mann der Gruppe wird vor den Augen der anderen erst skalpiert (Sein Skalp wird ihm dann in den Mund gestopft) und dann kopfüber aufgehängt, sodass man ihm dann zunächst mit der Axt in die Weichteile hauen kann, um ihn dann von unten nach oben bei Bewusstseit zu zweiteilen. Dieser Schock durch diese hyper-violence, die selbst in dem Kontext so unerwartet kam, gehört definitiv in diese Liste.
Mission Impossible: Rogue Nation – Opernhaus
Matthias hat dazu bereits alles geschrieben, was ich auch sagen würde und es dazu noch viel besser formuliert.
It Follows – Opening Scene
Sehr hübsch, da hier schon alles drin ist: Die schwindelerregende Kameradrehung, eine weibliche und leicht bekleidete Figur sowie das Unverständnis der Beobachter. Ich liebe den Moment, als die Tür off-screen ein zweites Mal geöffnet wird.
Für die New York Times hat Regisseur David Robert Mitchell in diesem kleinen Video-Essay ein paar Worte zu der Eröffnungszene verloren.
A Most Violent Year – Verfolgungsjagd
Oscar Isaac kämpft sich in A Most Violent Year mit seinem Öl-Unternehmen in den Achtzigern nach oben. Seine Figur, Abel Morales, wird dabei mehrfach mit der Frage konfrontiert, inwieweit es sich denn überhaupt noch lohnt, sich ans Gesetz zu halten und den ehrenwerten Weg nach oben zu suchen. So werden mehrfach große Mafia-Filme wie The Godfather angerissen, aber dann ganz subtil unterwandert. Kurz vor Schluss kann Abel endlich einen der Diebe seiner Heizöltransporte bei frischer Tat ertappen und verfolgen. JC Chandler verzichtet bei der insgesamt knapp zehnminütigen Sequenz fast gänzlich auf Musik und betont dafür mehr die Motorengeräusche, Schritte oder die schnelle Atemfolge seines Protagonisten. Die Verfolgsjagd überzeugt nicht durch irgendwelche großen Actioneinlagen à la Hollywood. Realismus an sich ist kein notwendiges Kriterium für eine solide Verfolgungsjagd, aber die Normalität mit der die Autos durch irgendwelche Hinterhöfe Brooklyns ist wesentlich fesselnder als irgendwelche Explosionen. Es ist der Wettkampf zweier Männer, der durch Hartnäckigkeit gewonnen wird und so Abels gesamten Konflikt hier im Kleinen repräsentiert.
Sicario – Soldaten aus der Dunkelheit
Roger fucking Deakins.
The Guest – Haunted By Your Soul
Bis zu dieser Szene könnte man noch denken, dass sich Dan Stevens “David” weiterhin sehr liebevoll um die Familie kümmern wird und vielleicht mit der Tochter zusammenkommt . Sie will das definitiv. Doch der Schwenk am Ende der Szene zu Stevens, der zu “Haunted When The Minutes Drag” von Love & Rockets verstört aus dem Fenster starrt, markiert einen Einschnitt in die bis dato so rührselige Geschichte.
Whiplash – Das letzte Konzert
Der Schnitt, das Schauspiel, etc. Einfach alles kommt hier für den Höhepunkt des Films zusammen. Nachdem ihn sein ehemaliger Lehrer vor der gesamten Musikszene New Yorks blamiert hat und er dadurch Andrews Zukunftschancen gänzlich vernichtet hat, nimmt der Schüler Rache mit einem fünfminütigen Schlagzeugsolo. Diese Schlussszene ist äußerst ambivalent. Was vielleicht von manchen nur als Trotz angesehen könnte, vermag auch gut und gerne ein letztes Solo-Tribute an seine nun verstorbenen Zukunftschancen sein. Vielleicht mag er es allen noch einmal beweisen und sich verausgaben; allen zeigen, was er wirklich drauf hat. Ich glaube, dass es eine Mischung aus allem ist, aber Andrews größte Motivation ist für mich immer noch die Zustimmung seines früheren Lehrers ist. Andrews Qualen kulminieren in einer Einstellung, die uns sogar das wichtigste verbergen: J.K. Simmons Lächeln, das er Andrew kurz vor dem Abschluss des Stückes gibt. Andrew schaut erleichtert und gibt sein Bestes für das Finale. Andrews Spiel ist beeindruckend und atemberaubend. Wir aber dürfen das Grinsen gar nicht sehen, sollen es nicht sehen. Der Zuschauer soll ich gar nicht in dieser persönlichen Bestätigung verlieren, sondern erschrocken feststellen, dass Andrew für immer in dieser Schülerrolle gefangen bleibt. Er hat sich in seiner Obsession selbst verloren. Er funktioniert nur durch und mit Fletchers Zustimmung. Andrew gewinnt und verliert. Man kann das bestimmt noch mehr zu schreiben.
Jurassic World – Raptor Chase & Wide Shot des Parks
Zwei glorreiche Momente aus Jurassic World: Chris Pratt reitet mit den Raptoren durch den Dschungel und die erste Großaufnahme des Parks, bei der Regisseur Trevorrow aus einem Hotelzimmer über die Anlage und den See zu den Attraktionen des Parks schwebt und dem Zuschauer etwas wahrhaftig Neues bietet: The park is fucking open.
Victoria – Nils Frahm
Es gibt zwei Momente, in denen Sebastian Schipper seinem Komponisten Victoria gänzlich überlässt. Da ich mich im Vorfeld so gut wie möglich von Trailern und Berichten über den Film fernhielt, wusste ich nicht einmal, dass Frahm die Musik beisteuern würde – geschweigedenn, dass ein so realer One-Take-Film einen Score haben würde. Als Sonne zusammen mit Victoria in den Vorhof einbiegt und die Gruppe sich auf den Weg zum Dach begibt, verleiht Frahm dieser Alltäglichkeit eine traurige, melancholische Note, die sowohl die späteren Ereignisse des Filmes ahnen lässt und gleichzeitig die Vergänglichkeit und die Besonderheit dieses spätjugendlichen Abenteuers betont.
Später wird bei der Party im Club erneut Frahms Musik in den Mittelpunkt gerückt. Dort wird die Feier über den erfolgreichen Banküberfall und die aufkeimende, zärtliche Liebe zwischen Victoria und Sonne noch einmal betont. Gleichzeitig wird aber auch durch das Stück “Them” hier schon die Zerbrechlichkeit dieses Moments bewusst gemacht. Dann ist er vorüber. Und das Ende beginnt.