Heute ist ein guter Tag. Denn heute ist der letzte Tag, an dem wir für sehr lange Zeit zum letzten Mal von Back To The Future in diesem Maße hören werden. Nach diesem globalen Netz-Inside-Joke namens “Future Day”, “Marty McFly Welcome Day”, “Back To The Future” Day” usw. müssen wir uns für sehr lange Zeit nicht mehr mit Hoverboards, Technologievergleichen und sonstigen Sachen rumschlagen, die mir das Vernügen an einer der schönsten Filmtrilogien aller Zeiten trüben.
Was hätte man heute alles tun können. Einige wenige zeigen, wie es geht. Alex Matzkeit preist bei Goranas BTTF-Blogging-Extravaganza den Geniestreich der Interaktion der multiplen Erzählungsstränge von Teil 1 und 2. Die viel diskutierte Filmanalyse von Wolfgang M. Schmitt jun. widmet sich dem Konservatismus der Trilogie. The Onion zeigt, wie der Film Reagonomics kritisiert. Drehbuchautor Max Landis liefert einen Jaws 19 Livetweet, Belated Media die dazugehörige Video-Review. i09-Autor Germain Lussier findet, dass der Film perfekt ist und analysiert den Film Szene für Szene.
Und trotzdem geht all dies in der Masse an Hoverboard Jokes, branded content und sinnlosen Referenzen unter. Als wolle jeder auf der Welt ausdrücken, dass er die Filme gesehen hat. Sogar die Tagesschau hat einen Clip produziert. Es gibt es eine endlose Welle an vergeblichen Inside Jokes und gezwungen wirkender Berichterstattung (#content), die für mich darin gipfelte, dass die Welt verlautete, dass es den DeLorean wirklich gab. Die day-to-day Content-Maschinerie des Internets nutzte die Möglichkeiten des heutigen Tages vollends aus. Zurück in die Zukunft hier, Hoverboards da, Marty McFly dort.
Clickhole, die Clickbait-Schwester der The Onion-Macher, spiegelt die heutige Realität des Internets in ihrem Video “Awesome! This Man Can List Nearly Every ‘Back To The Future’ Movie” sehr gut wider:
Die Trilogie wird auf 30 Minuten Filmzeit reduziert, oft wird die Geschichte um die Rettung von Martys Kindern nicht einmal erwähnt. Die dystopische Version von 1985 wird dank naheliegenden Vergleichen mit Donald Trump einfach mal 2015 zugerechnet. Faktisch falsch, aber macht ja nichts. Lässt sich schließlich alles in einem Haha-kennste-kennste-Schwall runterbeten. (Wobei der Trump-Vergleich nicht mal einfallsreich ist. Bob Gale hat selbst zugegeben, dass Biff von Trump, der bereits in den Achtzigern bekannt war, inspiriert wurde.) Das erinnert mich an die Begebenheit, als einige Facebook-Menschen dachten, dass Marty 2012 in Hill Valley ankommt und dieses Bild fleißig teilten. Hauptsache dabei. Hauptsache irgendwie rausposaunen, dass man etwas kennt und mag. In der Hoffnung, dass man Gehör findet.
Ich hoffe nicht, dass diese Kritik so rüberkommt, als wolle ich jemandem vorschreiben, wie er den heutigen Tag zu feiern hat. Alles, was aus einer Fan- oder Zuschauerperspektive kommt, finde ich prinzipiell interessant. Diese Herangehensweise kommt aus der Ecke der Nostalgie. Ich liebe diese Filme und finde es toll, dass auch dreißig Jahre nach der Veröffentlichung die Fangemeinschaft den Kult am Leben erhält.
Doch trotzdem geht mir diese großartige, auf allen Kanälen zelebrierte Aktion ein wenig gegen den Strich. Und es liegt vor allem an kapitalistischen Übernahme dieses Events. Schnelleres Internet, ein futuristischer Mercedes Benz, Verizon wirbt für Lyft, sogar Politiker machen sich den Tag auf eine ganz, ganz traurige Weise zu Nutzen. Die Karlsbergbrauerei wirbt mit einem “Hoverbeer“.
Zu alledem werde ich noch selbst kontaktiert, ob ich nicht für eine Autoseite werben möchte. Prinzipiell eine nette Ansammlung bekannter Fakten, aber wieso steht so etwas auf einer Seite, die Autos verkaufen möchte? Achja, der DeLorean… okay?
Natürlich kommt das Interesse des Marktes von nicht ganz ungefähr. Pepsi, Nike und zum Beispiel Toyota dürften in besonderem Maße daran interessiert sein, ihre Produktplatzierungen auch im wahren 2015 umzusetzen. Doch Pepsi zeigt schon, wie es falsch geht: Von den viel beworbenen Pepsi Perfect Flaschen gibt es nur 6500 Stück. Diese Limited Edition war binnen Minuten ausverkauft. Auf eBay werden die Flaschen längst für tausende Dollar an verzweifelte Sammler verhökert. Bewusst oder unbewusst hat Pepsi es hier also geschafft, dass sich die Aufmerksamkeit auf das Produkt richtet – nicht auf den Film.
Doch noch viel nerviger sind die ständigen Vergleiche der Zukunft, die keine Grundlage haben.
What ‘What Back to the Future Gets Wrong About 2015’ Gets Wrong About ‘Wrong’
— Sam Adams — boo! (@SamuelAAdams) October 21, 2015
Zurück in die Zukunft II war nie als zielgenaue Zukunftsdarstellung, sondern als Satire und überzogene Version der Trends der Achtzigern gedacht. Einflüsse wurden ausgeblendet, die Kultur wird als stringente Einbahnstraße dargestellt. Der Film wehrt sich vehement in seiner satirischen Vorhersage ernst genommen zu werden – dass das über die Köpfe von Autoverkäufern geht, ist traurige Realität.
Wer trotzdem Technologievergleiche ziehen will, dem sei doch Minority Report ans Herz gelegt. Spielbergs Futurologen haben nicht nur personalisierte Werbung, selbstgesteuerte Autos und Touch-Displays vorausgesagt.
Auf der Ebene der Filmproduktion liegt Zurück in die Zukunft aber sogar sehr richtig. Nicht, weil der Film zukünftige Trends erkannte (3D gab es nämlich schon in den Achtzigern (und Fünfzigern)) oder mit seinen Voraussagen Glück hatte, sondern weil er selbst den Grundstein für diese Entwicklungen legte. Die Produktplatzierung im Film war so erfolgreich, dass sogar noch dreißig Jahre später Leute bereit sind, hunderte von Dollar für Pepsi-Flaschen auszugeben. Was will eine Firma mehr? Gleichzeitig legte der Film einen wichtigen Grundstein für das heutige Franchising Hollywoods. Teil 2 und 3 wurden back-to-back gedreht und ins Kino gebracht. Narrativ sind sie voneinander abhängig. Marvel lässt grüßen.
So viel wurde heute über die Zukunft und die Unterschiede zu 1985 gesprochen und getippt. All das macht mich sehr müde. Doch ironischerweise scheint sich die Masse kaum für die Zukunft zu interessieren. Die NASA kann zwar in den letzten Jahren durch großartig geführte Social Media Kampagnen und Entdeckererfolge wie mit Curiosity und New Horizons bei geneigten Geeks punkten, ist aber dennoch chronisch unterfinanziert.
Über den Klimawandel, der vor dreißig Jahren bereits totgeschwiegen wurde, spricht die Normalbevölkerung so gut wie kaum und die Politik wird wohl auch im Dezember beim neuen UN-Klimakonferenz in Paris keine großen Erfolge – wenn überhaupt – erzielen können. Was wäre das für eine Aktion, wenn das Netz wie heute ab dem 30. November die Politik unter Druck setzen würde und auf Maßnahmen gegen den Klimawandel pochen würde. Dabei drängt sich doch die Not dieser Situation geradezu auf – denn Hoverboards funktionieren auch nicht über Wasser.