30 Oct, 2014 · Sascha · Film
2014 scheint sich zu einem persönlichen Rekordjahr zu mausern. In noch keinem anderen Jahr habe ich zuvor so viele Filme gesehen, knapp 300 dürften es inzwischen sein. Ab und zu verschwand ich sogar mal komplett für ein paar Wochen in ein Genre, so habe ich mir zum Beispiel sehr viele Mumblecoregeschichten der Brooklyn-Leute um Joe Swanberg reingezogen. (Randnotiz: Davon gibt es viel zu viele, aber die guten Titel sind die Tortur wert.) Irgendwann wird mein Überblick dann schwammig und es bilden sich mehr Gefühle zu gewissen Genres als einzelnen Filmen heraus. Rückblickend fällt mir dabei auf, dass es extrem wenige Non-Genre Actionfilme gibt, geschweigedenn gute. Was das bedeutet? Let me explain.
Natürlich ist der Actionfilm ein Genre für sich selbst, doch sehr viele reine Actionfilme gibt es nicht mehr wirklich. Die Action wird immer mehr mit anderen popkulturellen Genres wie Superhelden oder Fantasywelten verpackt und teilweise sogar erstickt, wenn man sich jetzt mal Guardians of the Galaxy als Beispiel nimmt. Hier dominierten Humor, Charme und die Chemie der Figuren. Die Action enttäuscht zwar nicht, ist größtenteils jedoch belanglos.
Aktuell scheint wieder nach einer Ruhephase ein Knaller am Actionhimmel zu warten, der es in sich hat. In John Wick wird ein von Keanu Reeves gespielter Ex-Hitman Opfer eines Überalls, bei dem sein Hund getötet wird. Mad with rage jagt er die Mörder seines Hundes und bringt alle nacheinander, Kopfschuss nach Kopfschuss, um.
Auch wenn ich für gewöhnlich nicht viel von diesen Kritikaggregatoren halte, empfinde ich ein 86% fresh rating von Rotten Tomatoes schon als eindeutige Tendenz, dass John Wick abliefern wird, was das Marketing verspricht.
John Wick sieht nach traditioneller, schlichter Action mit einem simplen Plot aus. Ein Plus dazu: Der Film weiß, dass selbst ein 50 Jahre alter Profi wie Keanu Reeves längst nicht mehr fit genug wäre für den akuten Einsatz und sich ohnehin bereits vor Jahren mit einem Batzen Geld zurückgezogen hätte, wenn er nicht auf den Kopf gefallen ist. Deshalb gibt es keinen selbstverliebten und halbherzig gemeinten “We’re getting too old for this”-Jokes, sondern Keanu gibt alles, ein letztes Mal – Rache mit allen Mitteln, womöglich dem eigenen Leben.
Aber wie steht es um die restlichen Filme? Ein kurzer Überblick der Subgenres:
Lichtblicke
Abgesehen von John Wick sieht das Jahr 2014 eher mau aus. Ich habe Lucy noch nicht gesehen, weil mir die Prämisse einfach zu blöd ist, aber gewisse Clips und die Trailer sowie Reviews von Leuten, denen ich vertrauen, lassen mich nicht glauben, dass ich etwas verpasst habe. Dennoch schien der Film beim Publikum und einer Mehrheit der Kritiker gut wegzukommen.
Wenn man über das Actiongenre der letzten Jahren generell sprechen will, kommt man natürlich nicht Gareth Evans vorbei. Mit The Raid 2 legt er noch eine Schippe drauf und kreiert eine frische und virtuose Tour-de-Force, die jedoch durchaus mit ihrer völlig überzogenen Länge ab einem Punkt nur noch betäubt. Aber dennoch bleibt The Raid 2 der Actionknaller des bisherigen Kinojahres.
Tom Cruise wird erneut zum Übermenschen mit coolem Kampfanzug: Edge of Tomorrow aka Live. Die. Repeat. aka All You Need Is Kill bietet zwar äußerst coole Action und Exoskelettawesomeness, doch der Fokus bleibt eindeutig auf dem Zeitschleifegimmick. Dennoch eher einer der Lichtblicke, unter dem Schnitt.
Alte Männer
Maßlos enttäuschen dahingegen erneut alte Männer, die genau das Gegenteil von Keanu Reeves tun und ihr wahres Alter leugnen. Wahlweise umringt von jungen C-Schauspielern und ein bisschen Eye-Candy, wiederholen sie ihre Glanzzeiten im dritten Expendables Film, der unter dubiosen Umständen angeblich leakte und folglich beim Publikum floppte. Die Geschichte halte ich für zu einfach. Man finde den Fehler.
Aber für die Schauspieler hat es sich so oder so gelohnt. Das Projekt mag vielleicht am Set zu viel Spaß führen und das sei den Menschen auch gegönnt, doch ein guter Film sieht anders aus und die Idee hatte sich schon mit einem Film abgenutzt. Dann schaut man sich doch lieber die Klassiker wie Conan oder Rambo wieder an und behält die Legenden so in Erinnerung, wie das vielleicht am besten ist. Streamingdienste wie Maxdome ersparen hier sogar den Weg zur Videothek. Während The Expendables irgendwo ein Remake vergangener Tage ist und enttäuscht, können ganze Remakes wie Robocop selbst durch eine Modernisierung nicht überzeugen.
Antike
Auf der Suche nach guten Filmen trieb es einige Studios und Kreative in die Vergangenheit. An sich keine schlechte Idee, jedoch schossen sie übers Ziel hinaus und landeten in der Antike. 300: Rise of an Empire führt Zack Snyders Style-over-Substance Maxime weiter und schafft es sogar seinen Vorgänger im Hinblick auf die Substanz zu unterbieten – das muss man erst mal schaffen. Brett Ratner versucht sich mit Hercules und Dwayne Johnson ebenfalls in der Antike und präsentiert einen mittelmäßigen Streifen, der so belanglos, langweilig und doof ist, dass man ihn nicht mal besprechen will. Auteur (und das sage ich ganz unironisch) Paul W.S. Anderson will eine Mischung aus Titanic und 2012 in seiner Pompeii-Verfilmung erschaffen und dies gelingt ihm auch teilweise, doch die Gladiatorenkämpfe langweiligen, während den Katastrophenszenen dank zwei teflonglatten Schauspielern (Jon Snow und Emily Brown) jeglicher Pathos fehlt. Schade.
Superhelden
Spider-Man 2 ist ein Totalausfall in jeder Hinsicht, bei dem noch jedes Wort zu viel verloren ist (Film Crit Hulk übernimmt das für mich).
X-Men: Days of Future Past ist dahingegen jedoch ein absoluter Lichtblick. Sei es die großartig inszenierte Quicksilver-Szene, der Pathos des Überlebenskampf in der Zukunft oder das persönliche und durch Zurückhaltung definierte Finale, Bryan Singer hat seine X-Men sicher im Griff und dominiert das Genre für dieses Jahr. Gleichzeitig schafft der Film auch einen Soft Reboot des Franchises mit verspielter Leichtfüßigkeit. Dem gebührt Respekt.
Marvel überzeugt ebenfalls, die Russo Brüder übertreiben es zwar im für das Studio typischen Finale mit schwebendem Gedings, Totalzerstörung und blauen MacGuffins, doch die vorangegangenen Kämpfe überzeugen durch eine bestimmte Direktheit und knallharte Nähe. Wenn Männer in Rüstungen rumfliegen und Mutanten Stadien durch die Lüfte bewegen, ist es doch eine willkommene Abwechslung, wenn Steve Rogers einen Fahrstuhl mit einem traditionellen Faustkampf aufräumt.
Kriegsfilme
Die Kriegsfilme hatten eigentlich ein ganz gutes Jahr, auch wenn die für das amerikanische Publikum zugeschnittene Ware natürlich wieder an dem ein oder anderen Punkt bitter aufstößt. Peter Berg konnte mit seiner Verfilmung des Lone Survivors Buches, einer Biographie eines Soldaten, überzeugen und nicht nur Mark Wahlberg, sondern auch den Karriere von Taylor Kitsch, Emile Hirsch und Ben Forster wieder einen Push geben. Schließlich steht Lone Survivor aber auch für die Können des Regisseurs selbst, der nach Battleship wieder einen kleinen Pluspunkt bitter nötig hatte.
Ich habe Fury noch zu sehen, aber der Cast spricht für sich und Panzerkämpfe sehen wir heute nur noch sehr selten auf der Leinwand. Ayer hat in der Vergangenheit ein Händchen für die Intensität des Kampfes bewiesen und wird wohl dieses Mal auch wieder abliefern. Ganz so sicher bin ich mir jedoch nicht bei dem angeklebt wirkenden Pathos und sonstigen B-Plots, sowie die Beweihräucherung und Inszenierung der Armee. Was Spielberg in Saving Private Ryan so gut gelang, war die Übersetzung der unmittelbaren Direktheit der Gewalt, die keine langen Monologe oder Trauerblicke zulässt. Fury sieht nach dem exakten Gegenteil aus.
Michael Bay
Der Meister der Explosionen und Dutch Angle bekommt bei mir seine eigene Kategorie. Ich weiß bis heute nicht, wieso ich mir sowohl Transformers 4 sowie die Teenage Mutant Ninja Turtles im Kino angesehen habe; der Rattenfänger hatte mich wohl erneut gekriegt. Seine Filme muten sich immer zu diesen Autounfällen an, die man einfach gesehen haben muss, um in der Diskussion eine Meinung haben zu können – obwohl man dieser am besten ganz fernbleibt.
Transformers 4 war so eine überlange, chaotische Quälerei, dass mir zum allerersten Mal von einem Film physisch schlecht wurde. Ich war noch nie so froh den Kinosessel am Ende des Films schnell zu verlassen und frische Luft zu schnappen. Natürlich ist mir bewusst, dass die Turtles von Jonathan Liebesman gedreht wurden, doch Michael Bays Fingerspuren sind bis ins Casting zu finden. Die CGI-Turtles, insbesondere ihre Kämpfe, sind schlicht armselig. Vom grotesken Design der Figuren abgesehen, können die Bilder nie über die Künstlichkeit der Figuren und ihrer Umgebung hinwegtäuschen. Dass man sich gut zwei Jahrzehnte später dann lieber Männern in Gummianzügen als diese PS3-Cutscenes anschaut, die schon damals mehr schlecht als recht waren, ist das eigentlich Armutszeugnis des Films.
Insgesamt also ein Jahr wie immer: Eine handvoll guter Filme und viel Schrott.
Disclaimer: Ich habe diverse Listen zu Hilfe geholt um wirklich nichts zu vergessen und bin mir eigentlich dennoch sicher einen Titel vergessen zu haben. Deshalb dürfen Kommentare mich gerne darauf hinweisen.
Nicht gesehen: Three Days To Kill, Sabotage, Jack Ryan.
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Mit freundlicher Unterstützung von Maxdome