Review: The Walking Dead, Volume 21: All Out War – Part Two - PewPewPew - PewPewPew

Walking-Dead-Volume-21Dass man sich bei Image Comics dazu entschieden hatte, zur nun bereits vor langer Zeit erschienenen 127. Comic-Ausgabe von The Walking Dead keine Vorschau zu veröffentlichen, ließ mich Autor Robert Kirkman Glauben schenken, dass die wirklich große Wendung noch bevorstünde und nach dem Beginn des neuen Sonderbandes mit dieser Ausgabe wirklich kein Stein mehr auf dem anderen stehen würde.

Deshalb wollte ich die Besprechung des 21. Sonderbandes vorziehen, noch bevor ich die neue Ausgabe lesen würde. Das ist nun ein halbes Jahr her. Ich schreibe jetzt erst die Review zum Sonderband, habe dennoch nicht weitergelesen gehabt. So schön die All Out War Aktion mit ihren zwei Ausgaben pro Monat war, am Ende war es für mich wohl ein bisschen zu viel. Ich brauchte eine Pause. Diese konnten jedoch weder Telltales zweite Staffel noch AMCs Serie füllen, also las ich vor geraumer Zeit den Sonderband, dann bereits als solcher erschienen (und nicht nur in einzelnen Ausgaben) und war erneut verzaubert. Wie viele andere war ich mit todsicher zu wissen, wie Kirkman den totalen Krieg enden wird – und lag dann doch falsch. Negan aus der Welt zu schaffen wäre tragisch gewesen. Eine komplexe Figur mit soviel Charme und Witz aus dem Comic zu schreiben war wohl auch für Kirkman zu viel, doch seine Gnade passt ins größere Bild, das er entwirft.

Immer wenn ich meine Faszination von The Walking Dead erklären will, komme ich zurück zum Vorwort des ersten Sammelbandes. Dort beklagt Robert Kirkman, dass selbst die tollsten Zombiefilme immer dort enden, wo es eigentlich am spannendsten wird. Was passiert mit den Figuren, die überleben? Wie lange überleben sie? Wie lange? Wie sieht ihr Alltag aus? Kirkman versucht all dies in seiner laufenden Comic-Serie zu erforschen. Natürlich verspricht er den Gore- und Genre-Fans damit auch eine nicht endende Zombieschlacht, aber das wirklich spannende Element des Comics bleibt das Politische. Nachdem der Autor in mehr als 100 Ausgaben alle nahezu alle Klischees abgehakt hatte, führte er in Ausgabe 100 einen neuen Antagonisten ein, er viel mehr als nur ein neuer Bösewicht war. Der daraus resultierende Krieg war höchst ideologisch.

“This is a nightmare. And nightmares end.” – Bob Stookey 

A Larger World Walking Dead
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Um dies näher zu verstehen, muss man einen Schritt zurückgehen, denn der eher lauwarme Empfang von Sonderband 16 wirkt nach. Hier legte Kirkman den Grundstein für den gesamten Negan Arc und alles, was darüberhinaus folgen wird. Ich schrieb damals, dass “Kirkman beweist, dass in seiner Geschichte noch schier unendliches Potential steckt.”

Nach all den Querelen mit Douglas, anderen innerparteilichen Schwierigkeiten und Führungskämpfen vereinten sich Ricks Überlebende im Kampf gegen die Horde. Umringt von Toten wurde eine unzerstörbare Einheit geschmiedet, die gemeinsam eine neue Zukunft aufbauen will. In A Larger World ging es eben nicht nur um neue Gruppen wie Jesus’ Hilltop-Schäfchen und die Einführung neuer Figuren, sondern um eine klare Zukunftsvorstellung. Es geht um den Wiederaufbau. Es gibt einen Grund, wieso Kirkman in diesen Ausgaben kaum Zombies zeigt, kaum jemand von einem Zombie getötet wird. Zombies rücken komplett in den Hintergrund. Wenn eine Gruppe von ein paar dutzend Leute eine ganze Horde managen kann, dann verblasst diese Gefahr. Nichts stand mehr im Weg. Und dann kam Negan.

Negan Threat
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Negan wurde falsch eingeschätzt – nicht nur von mir. Negans imposanter Einmarsch war aber nur Show. Zunächst droht er Rick seinen Sohn vergewaltigen zu lassen, nur um später dann sehr deutlich seine “No Rape”-Regel zu verdeutlichen. Er verspricht Rick, dass all die Zusammenarbeit vorbei ist und dass es Zeit für etwas Neues ist. In Wahrheit jedoch ist seine neue Vision gar nicht so anders. Negan etablisiert sich als psychopathischer Diktator, wenn er in Wahrheit nur ein School Bully ist.

Negans Welt ist simpel: Zusammenarbeit, aber unter ihm. Rick ist aufmüpfig, akzeptiert natürlich nur vorgeblich die neue Herrschaft. Währenddessen tötet sein Sohn mehrere von Negans Soldaten. Das Resultat? Negan gibt Carl unverletzt zurück. Negan gibt Rick etliche Chancen, er sucht den Dialog. Er mag sich “Shock and Awe”-Taktiken behilflich machen, doch schlussendlich will auch er nur seinen Lebensstandard sichern. Solange Rick ihm sein Taschengeld gibt, wird Negan keinen Finger rühren. Nur wer ihn provoziert, wird aber mit Folgen zu rechnen haben. Negan sichert sogar Ricks Herrschaft innerhalb der Alexandria Safe-Zone und tötet Feinde aus dem Inneren – weil er mit Rick jemanden hat, mit dem er zusammenarbeiten kann. Zumindest hielt er dies für lange möglich.

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All Out Chaos

Wenn wir in Sonderband 21 einsteigen, ist dies natürlich längst Geschichte. Rick kann Negan nicht erlauben zu existieren, zumindest nicht in dieser Form. Ricks Vision ist zu stark. Er hat gesehen, wie er und eine größere Gruppe die Gegend rund um D.C. wieder aufbauen könnten. Die Landschaft mag vereinzelnd den ein oder anderen Walker aufweisen, doch grundlegend kann der Mensch wieder herrschen. Doch momentan herrscht noch Negan, unter dem Rick und seine Gruppe überleben können. Nicht gut, nicht immer satt, aber Negan war bereit und bot Schutz. Eine Diktatur unter ihm wäre möglich gewesen, doch Rick kann dies nicht akzeptieren.

Der All Out War entwickelte sich von einem Krieg zweier Anführer zu einem Krieg der Ideen. Der Status Quo des postapokalyptischen Zombiealptraums kann nicht weiter toleriert werden. Das Recht des Stärkeren kann keine Rückkehr zu vorapokalyptischen Verhältnissen sein. Recht, Ordnung und Gesetz müssen wieder einkehren und demokratisch gewählte Anführer sollen erneut über das Geschehen bestimmen.

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Und hier ist der Twist. Rick schafft Negan zwar aus dem Weg um seiner Vision näherzukommen, doch er schafft ihn nicht aus der Welt. Er lässt ihn am leben und tut etwas viel Schlimmeres: Er lässt ihn für ewig in einer Zelle schmoren, während er dabei zusehen kann, wie die Welt wieder aufgebaut wird – ohne ihn. Von Kirkman gewollt oder nicht, bezieht der Comic hier auch des Weiteren Stellung zur anhaltenden Debatte um die Todesstrafe in den USA. Negan zu töten wäre die einfachere, aber teurere Alternative gewesen. Rick hätte seine Vision einer neuer Zukunft auf noch mehr Blut und Leid, so verdient es auch in den Augen der Rächer gewesen sein mag, gebaut. Wie könnte er sich eine moralische Autorität bewahren? Es ginge nicht. Robert Kirkman entarnt in der großen Empörung vieler Leser die eigenen unmoralischen Vorstellungen und Rachefantasien. Er regt zum Denken an.

Das Zwischenmenschliche

Kirkmans Talent besteht jedoch nicht nur darin, das Politische in der Zombieapokalypse zu finden, sondern seine Figuren und ihre Beziehung in alledem authentisch zu schreiben. Nicholas war kein integraler Bestandteil des Comics, doch sein Tod ist beeindruckend emotional gestaltet. Ebenso die Emotionen und Reaktionen rund um Ricks Entscheidung bezüglich Negan. Man versteht die Wut, man kann die Entscheidung jedoch nachvollziehen. Dass trotz all den aufopferungsvollen Bekundungen keine große Figur starb – nicht einmal Negan – war überraschend. Viele seiner Figuren arbeiteten, teilweise sogar irgendwo willentlich, auf ein Ende zu.

Das ist eine kleine Revolution. Kirkman durchbricht hier den eigens auferlegten bisherigen Zyklus, bestehend aus Flucht-Aufbau-Chaos-Tod-Flucht, den alle erwarteten. Dass er seine Figuren komplexer gestaltet, kann dem Leser nur recht sein. Bis ihm natürlich wieder langweilig wird und einer sterben muss. Die Berechenbarkeit der Unberechenbarkeit bleibt ein Grund, wieso der Comic auch nach 126 Ausgaben so besticht.

divbar

Zombie Goo

Anschließend muss noch kurz Negans neue Taktik besprochen werden, die ein paar Dinge rückwirkend komplexer gestaltet als sie hätten sein müssen. Seine Savior tunken ihre Waffen vor der Schlacht in Zombiegoo/blut, sodass durch einen Stich oder einen Schnitt mit der Klinge ein Gegner infiziert wird. Das Gleiche gilt für Waffenmunition. Das lässt einige Momente in den vielen Ausgaben zuvor zwielichtig erscheinen. Was, wenn zuvor jemand eine kleine Wunde am Finger hatte, die mit Zombiegoo in Berührung kam? Zuvor wahren die Regeln einach: Sterben oder gewissen werden = Zombiefizierung. Nun wird all dies komplexer. Das hätte der Comic nicht nötig gehabt. Der Effekt und die daraus entstehende Spannung sorgten jedoch kurzzeitig für großen Spaß.

Artwork

Charlie Adlard enttäuscht erneut nicht. Seine Splash Pages sind beeindruckend und fangen die Atmosphäre erdrückend ein. Doch die vielen Ausgaben, veröffentlicht in so kurzen Abständen, hinterlassen ihre kleinen Spuren. Trotz der Verstärkung durch Stefano Gaudiano als Inker wirken die Ausgaben an manchen Stellen gehastet. Manche Figuren bestehen oft aus Bart und längeren Haaren, sodass man die Details nicht näher ausarbeiten muss. Dadurch muss man aber manchmal genauer hinschauen, ob es sich jetzt um Rick, den inzwischen abgemagerten Eugene oder eine Drittperson handelt. Außerdem gelingt es Adlard manchmal nur mehr schlecht als recht Negans Plotarmor zu verbergen. Besonders zum Beispiel in der Falle mit den Lichtern kurz vor dem Haus auf der Hügelspitze ist es unmöglich nachzuvollziehen, wieso gerade Negan jetzt nicht erschossen wird. Außerdem ist die Choreographie der Stürmung der Festung manchmal etwas schwierig zu verstehen, besonders wie Negan und Dwight so problemlos hinter Rick landeten.

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