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Lettland, 2007
Regie: Aigars Grauba
Drehbuch: Lisa Eichhorn, Andrejs Ekis, Aigars Grauba, Valentin Jemeljanov, Andris Kolbergs, Valentin Yemelyannov
Darsteller: Janis Reinis, Elita Klavina, Girts Krumins
Länge: 118 Minuten
Rating:
Es gibt in Oh Boy diese wunderbar kleine Episode, als Niko seinem Freund Matze auf ein Filmset folgt und sie feststellen, dass schon wieder ein Film über den Zweiten Weltkrieg gedreht wird. Niko, gespielt vom großartigen Tom Schilling, der ironischerweise bereits selbst in solchen Produktionen mitwirkte, wird sogar eine kleine Komparsenrollen angeboten, aber wie so oft in diesem Film, hat er darauf nicht unbedingt Lust.
Es ist ein kleiner, aber feiner Kommentar von Regisseur und Autor Jan Ole Gerster auf die obsessive Vergangenheitsbewältigung des deutschen, aber auch des europäischen Kinos und Fernsehens und ohne Zweifel ein Hieb auf die großen Produktionen dieser Art, die Filmen wie Oh Boy, trotz kleinsten Budgets, die Luft rauben.
Es soll ja gar nicht über das Für und Wider des Weltkriegsfilms gehen, aus dessen Tragödien man schließlich immer noch in unseren turbulenten Zeiten aktuelle und notwendige Lehreinheiten erschließen kann, sondern schlicht und einfach um den Anlass zu der Verfilmung. Dieser ist bei der Verfilmung der Verteidigung von Riga im Jahr 1919, als General von der Goltz das Ende des Ersten Weltkrieges akzeptieren wollte und die Balten wieder unter deutsche Kontrolle zu bringen versucht, immerhin gegeben. Dass Die letzte Front – Defenders of Riga, produziert in Lettland im Jahr 2007 und nun nach Deutschland ins Heimkino verfrachtet, also höchst patriotisch ist, überrascht ebenso wenig wie sein enormer kommerzieller Erfolg im Heimatland.
Doch im Idealfall begünstigt ein solcher Anlass nicht nur einen Wunsch der Verfilmung um nachfolgenden Generationen ein audiovisuelles Mahnmal und alten Veteranen ein Denkmal in der Kinogeschichte zu liefern, sondern auch den Drang nach einem echten Film, nicht nur einer Abhandlung von Ereignissen, und damit einer Geschichtsstunde, auf der Leinwand. Leider missglückt Die letzte Front hier phänomenal und reiht sich in die lange Liste belangloser Abhandlungen der Zwei- oder Dreiteiler der Öffentlich-Rechtlichen ein.
Und natürlich ist in diesem gewollten Magnum Opus alles dabei, was man so erwartet. Leid und Liebe, Helden und Bösewichte, Tod und Hoffnung. Leider bedingt das jedoch keinen guten Film, sondern eine überlange Produktion, die qualitativ sogar dem Niveau der TV-Filme hierzulande hinterher hinkt. Kostüme und sonstige Ausstattung scheinen bei der Vielzahl dieser Produktionen so oft gefragt, dass zweifellos eine gewisse Routine in diese Sparte der Produktion eingekehrt ist. Immerhin gibt es hier einen optischen Trost für den Zuschauer zu finden, der sonst unangenehme Darstellungen der Schauspieler und arge tonale Sprünge durchleiden muss. Das sollte bei sieben Drehbuchautoren auch niemanden überraschen. Da geht es vom Drama in die Romanze und direkt danach in die tiefen Abgründe des Krieges, die jedoch trotz des überschätzten FSK-16 Ratings keineswegs adäquat dargestellt oder von der CGI verhunzt werden.
Ein besonderes Ärgernis ist die Synchronisation ins Deutsche. Dass der Film nach sieben Jahren nun in Deutschland veröffentlicht wird, scheint nicht Folge einer Vision oder eines tiefen Wunsches, sondern dem standardmäßigen Einkaufs und einer darauffolgenden, lieblosen Veröffentlichung zu sein. Anders kann man die wahrhaftig schlechten, emotionslosen Interpretationen nicht erklären.
Die letzte Front – Defenders of Riga erzählt eine Geschichte, die es verdient hat, einen Platz auf der großen Leinwand zu finden. Nur eben nicht so. Eine weitere Einzelheit des frühen 20. Jahrhunderts verfällt der Verfilmungsmaschinerie des risikoscheuen Fernsehens, das hier als großes Kino verkauft wird.