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So richtig weiß Niko wohl selbst nicht, was mit ihm los ist. Mit seiner Freundin macht er Schluss, das Studium brach er bereits vor zwei Jahren ab und auch sonst kann er sich eigentlich nicht so wirklich mit seiner Umwelt identifizieren. Eigentlich will er gerade nur einen Kaffee trinken. Dabei hätte er alle Voraussetzungen für ein gesellschaftlich normiertes Leben: Niko ist kultiviert und intelligent und dazu stehen ihm durch seinen reichen und einflussreichen Vater alle Türen offen.
Und dennoch ist er antrieblos, lässt sich in Jan-Ole Gesters großartigem Spielfilmdebüt durch Berlin treiben und trifft auf eine kaputte Stadt sowie ebenso kaputte Menschen und Schicksale. In episodenhaften Begegnungen ergibt sich, auch dank der ansprechenden Schwarz-Weiß-Ästhetik, ein zeitloses und stimmiges Bild der Hauptstadt zwischen Komik und Tragik im Alltag.
Auf die Frage seines Vaters, was er zwei Jahre getrieben hat, druckst Niko ein „Ich habe nachgedacht“ heraus. Und genau wie Niko scheint auch Gersters Berlin seit Jahrzehnten stillzustehen, antriebslos und in der Vergangenheit gefangen zu sein. Oh Boy lässt sich daher auch als Gersters Plädoyer für ein deutsches Mainstreamkino fernab des Schweiger-Kosmos‘ verstehen, das sich weder der verschrobenen, verkopften Künstlerschicht Berlins noch der ständigen Verarbeitung des Dramas der NS-Zeit verschreibt. Das Talent (ein fesselnder Tom Schilling unterstützt von einem beeindruckenden Ensemble) ist vorhanden und der Erfolg gibt ihm Recht.
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Nicht zu Unrecht haben sich vor einigen Wochen einige Meinungen laut und verunsichert über die Oscar-Nominierungen geäußert, hat man doch Gabriela Cowperthwaites Publikumsliebling Blackfish über Orcas und ihre Haltung in viel zu kleinen Wasserbecken stark vermissen müssen. Das liegt vor allem daran, was ihre Dokumentation über SeaWorld nicht ist. Statt hyperbolischen Floskeln und Formen, inszeniert die Regisseurin ihre Dokumentation als psychoanalytische Zeitreise rund um den sich in Gefangenschaft befindenden Killerwal Tilikum und die drei Vorfälle, bei denen er zum Tod von Trainern führte. Cowperthwaite verbindet dabei Archivmaterial von SeaWorld, Urlaubsvideos von Parkbesuchern und Interviews mit ehemaligen Mitarbeitern zu einem starken Mix, der kontrastreiche Szenen bildet, dem Zuschauer aber stets das leicht zu fällende Urteil überlässt.
Auch wenn die Tode der Trainer nie explizit gezeigt werden, schreckt Blackfish nicht davor zurück die enorme Monstrosität dieser Tiere in gefährlichen Momenten offenzulegen und damit auch ihre generelle Haltung in Frage zu stellen. Es ist beachtlich wie schnell die Stimmung selbst nach Jahren des Trainings und gemeinsamen Aufführungen umschlagen kann und Blackfish platziert die Verantwortung nicht bei den Tieren, die noch nie in der freien Wildbahn einen Menschen angegriffen haben, sondern bei den Opfern selbst. In einer der emotionalsten Szenen des Films zerbricht nämlich ein alter, gestandener Seemann an dem Gedanken, Tilikum vor Jahrzehnten als Kalb seiner Mutter entwendet und einem schrecklichen Schicksal anvertraut zu haben, das nur zum Leid für beide Parteien führte.
Die Extras und Interviews der DVD unterstützen die These des Films weiterhin: Durch jahrelange Trennung von Artgenossen und einer nicht artgerechten Haltung wurde Tilikum zum Psychopaten erzogen, der trotz anhaltender Vorfälle von SeaWorld auf Grund seiner Profitabilität bezüglich der künstlichen Fortpflanzung keine Hilfe erfährt. Vorfälle werden verdreht, sodass unschuldige Trainer nicht nur mit dem Tod, sondern auch mit der Lüge abgestraft werden. Blackfish stellt sicher, dass kein Zuschauer jemals mehr SeaWorld besuchen wird.
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© StudioCanal
Adam Cassidy ist Mark Zuckerberg ohne Facebook und Talent. Nach Jahren der niederen Arbeit bei einem Mobiltelefonkonzern will er endlich den großen Durchbruch bei einer Präsentation vor seinem Boss erreichen und versagt kläglich. Dazu stapeln sich die Arztrechnungen seines kranken Vaters, gespielt vom großartigen Richard Dreyfuss. Das alles hilft dem Zuschauer aber nicht. Adam ist ein arroganter Kerl, dessen Motivation, schlicht durch Neid und Not getrieben, einen nie überzeugt und auf seine Seite zieht. Als er zwischen die Fronten zweier Konzerne gerät, ist dies weder spannend noch mitreißend, sondern überraschend öde und zahm. Und am Ende ist man froh, dass es vorbei ist.
Schnell: Welche drei Themen haben die USA in den vergangenen Jahren im politischen Diskurs dominiert? Mit Kapitalismus, einer allgemeinen Krankenversicherung und einer sich ausweitenden Überwachung läge man sicherlich nicht falsch. Und genau deshalb ist es schwer nachzuvollziehen, wieso Robert Luketic und seine zwei Drehbuchautoren so sehr daran scheitern, aus diesem ansprechenden Mix und der beeindruckenden Schauspielerriege einen spannenden Thriller zu inszenieren. Vor allem dank eines schwachen Drehbuchs informieren die Figuren die Zuschauer und sich selbst stets über die Vorgänge des Abhörens. Nie entsteht Spannung und paranoid sind die Figuren auch nicht.
Dabei scheitert der Paranoia aber nicht nur inhaltlich, sondern auch filmisch. Der Schnitt ist besonders ärgerlich und kinetische Szenen verlieren ständig ihren Antrieb. Weiterhin stört das zur Obszönität getriebene Color-Grading extrem und die sonstigen Bilder ersticken im Hochglanz. Überraschenderweise kann da nicht einmal die wirklich beachtliche Besetzung vertrösten. Liam Hemsworth ist kein Hauptdarsteller und seine Leinwandpräsenz ist schlicht nicht vorhanden – aber auch Harrison Ford enttäuscht und scheint nur einen weiteren Gehaltscheck einzusammeln, während Amber Heard schlicht nicht mehr als das Eye Candy spielen darf. Gary Oldman scheint zu erkennen, in welcher Art von Film er sich befindet, aber auch sein übertriebener Akzent kann nicht über den schwachen Charakter hinwegtäuschen.
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