Vereinigte Staaten, 2012
Regie: Marc Webb
Drehbuch: James Vanderbilt, Steven Kloves, Alvin Sargent
Darsteller: Andrew Garfield, Martin Sheen, Sally Fields, Rhys Ifans, Emma Stone
Länge: 136 Minuten
FSK: 12
Rating:
Marc Webb, James Vanderbilt und Alvin Sargent sollen also das Franchise ins neue Jahrzehnt bringen und mit Spider-Man umsetzen, was ihre Kollegen mit Iron Man und The Avengers geschafft haben.
Jedoch muss ich gleich zu Anfang sagen, dass sie dies nicht so hundertprozentig geschafft haben. Aber kommen wir dazu später.
Peter Parker im Jahre 2012: Skateboard statt Physik Bücher. Kontaktlinsen statt Hornbrille. Mini-Rebell statt Vorzeigestreber. Viel wurde umgestellt damit Peter Parker sein Oberstreberimage verliert: Peter widerspricht den Lehrern, lässt sich von Mädels nicht an der Nase herumführen und lehnt sich gegen die Bullys auf. Insgesamt nicht schlecht umgesetzt, denn die Comics scheinen hier wirklich nur noch als Richtlinie und Inspiration zu dienen und längst nicht mehr als Vorlage. Jedoch wurde der Streberanteil an Peters Persönlichkeit so weit reduziert, dass er nur noch super intelligent wirkt und sein Interesse gegenüber den Naturwissenschaften überhaupt nicht mehr rüberkommt. Davon, dass er auf der High School ursprünglich mal Reed Richards’ Bücher in der Pause auf dem Schulhof las, merkt man im Jahre 2012 leider gar nichts mehr.
Im Groben und Ganzen macht das aber Sinn, denn die „Underdogstreber-goes-Superhero“-Story wirkt doch schon sehr angestaubt. Ein bisschen mehr Streber hätte ich mir aber schon gewünscht. Darüber hinaus gibt Andrew Garfield sein Bestes um den zwiegespaltenen Teenie zu spielen, jedoch sieht er einfach zu alt aus und das zögerliche Kopfschütteln wirkt auch nicht in jeder Szene.
Emma Stone macht da als Gwen Stacy schon eine bessere Figur. Sie spielt die Mischung aus „Daddy‘s Girl“ im Minirock und Naturwissenschaftlerin sehr solide, ohne große Ausreißer nach oben oder nach unten. Insgesamt ist Stacy sehr nahe an der Comicvorlage und bei ihr wurde weniger Neuzeit-Kosmetik vorgenommen als an Peter Parker. Gwen soll hier als Sympathieträger fungieren und ist sehr viel weniger zickig als die zweiglasig fahrende Gwen aus dem Comics (Sie datet Harry Osborn und Flash Thompson gleichzeitig und macht dazu auch noch Peter Avancen, macht ihm Druck sie zu heiraten, nur um dann wieder kleinbeizugeben, etc., etc.). In den Silver Age Jahren war Gwen Stacy noch zu manchen Zeiten eine waschechte Zicke. Ein Charakterzug, den man hier komplett rausgenommen hat. Jedoch genau dieser kleine, aber feine Eingriff gibt dem Ganzen dieses cleane Hollywood Feeling, das alle Unebenheiten weggestrichen werden, was mich erheblich stört.
Was mich auch sehr gestört hat: Die Handlungsabschnitte rund um Peter Parkers Eltern und Curt Conners. Gehetzt und nicht richtig ausgearbeitet. Den konspirativen Einschlag mit den Flashbacks von Peters Eltern wirkte viel zu erzwungen um Peters Psyche mehr Tiefe zu geben und ihm irgendeine Motivation an die Hand zu geben, sich bei Oscorp einzuschleichen. Hätte man Peters Charakter dieses angeborene Interesse für Naturwissenschaften nicht rausgekürzt, wäre dieser absurde Subplot auch gar nicht nötig gewesen. Und überhaupt: Wieso ist Peter Parkers Vater auf einmal renommierter Genetiker? Und wieso arbeitet er ausgerechnet mit Curt Connors zusammen? Und ausgerechnet seine Formel sorgt dafür, dass Dr. Connors in eine schlecht animierte Echse verwandelt? Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber für mich als Fan Boy hat das ganze überhaupt nicht funktioniert. Mal davon abgesehen, dass erst im Jahre 1997 (!) die Origin Geschichte rund um Peters Eltern in ein paar Spin-Offs erzählt wurden und noch nie eine wirklich bedeutende Rolle gespielt hat.
Wieso braucht Peter eigentlich 17 Jahre um das erste Mal den Namen seines Vaters zu googlen?
Rhys Ifans spielt auch hier nur eine Karikatur eines Naturwissenschaftlers und vermasselt selbst die wenigen Szenen, die ihm vom Skript gegeben werden. Selbst sein Alter Ego Lizard (wieso kann The Lizard sprechen?! Bitte, bitte nicht!) sieht einfach nur grottig aus und der Produktionsdesigner sollte gefeuert werden!
Da ist es nicht überraschend, dass Martin Sheen und seine Partnerin alle an die Wand spielen.
Aber es kommt, wie es kommen muss und Peter wird Opfer seiner Neugier und wird von der legendären radioaktiven Spinne gebissen. Insert Dramatic Music here!
Doch auch die U-Bahn Szene überzeugt nicht so richtig. Sie ist nicht kompletter Schrott, jedoch auch nicht dieser grandiose Moment in dem Peter seine Kräfte entdeckt. Die Szenen, in denen Peter sine Kräfte beim Skateboarden oder klettern erkundet, sind da sehr viel sympathischer und lassen einen richtig nachempfinden wie genial dieses Gefühl für einen sein muss.
Doch dann kommt die Szene um Onkel Bens Tod.
Versteht mich nicht falsch. Peter Parker als Wrestler im Jahre 2012? Das wäre albern gewesen. Somit bin ich eigentlich ein Freund der Überfallsszene im Supermarkt, nach der Onkel Ben erschossen wird. Aber so tölpelhaft und ungelenk hätte man es dann aber doch nicht darstellen müssen. Alles wirkt so erzwungen. Ben stolpert viel zu zufällig in die Szenerie. Der Spruch mit der Heilsarmee wirkt zu künstlich. Insgesamt war die Idee nicht schlecht, doch die Umsetzung allerdings schon.
Sehr positiv sind mir jedoch die Bewegungen von Spidey aufgefallen. In der Luft, an der Wand, im Kampf oder im Schwung. Seine Bewegungen sehen nach ultimativer Agilität und Beweglichkeit aus. Wenn die Bewegungen eine Bezeichnung verdient hätten, dann „spinnenartig“.
Doch so toll Spideys Bewegungen waren, so lieblos sind die Kampfchoreografien. Einzig und allein die Kampfszene in der Schule war nicht schlecht. Die anderen in der Kanalisation oder auf dem Oscorp Tower reichen nicht mal annähernd an die genialen Kampfszenen aus den ersten zwei Spider-Man Filmen von Raimi ran und wirken eher wie lieblose Raufereien.
Bei 2 1/2 Stunden wurde zu viel Zeit auf Peters und Gwens Schmonzette verwendet und die restlichen Subplots wurden nur durchgehetzt. Man erinnere sich nur an das erste Treffen zwischen Connors und Peter bei Oscorp. Grauenhaft. Schnell mal in 2 Minuten gegenseitiges Interesse runtergespielt um dann den großen Spinnenbiss in lila einzuspielen. Marc Webb zeigt weder gutes Timing noch Spacing im Film und schafft es weder Spidey-Fans noch 0815-Kinobesucher zu begeistern. Einzig und allein die schönen Bewegungen von “der Spinne” faszinieren.
Insgesamt wurde einfach zu viel glatt poliert und an zu wenig Schrauben gedreht um dieses Reboot zu rechtfertigen. Als Fanboy bin ich ernüchtert, als Kinobesucher sogar enttäuscht.
Dave ist eigentlich Photograph und von Kindestagen an Spider-Man-Fan. Seine Bilder findet ihr auf seiner Homepage.