‘Indie Game: The Movie’ Review - PewPewPew

USA, 2012
Regie: James Swirsky, Lisanne Pajot
Personen: Jonathan Blow, Edmund McMillen, Thomas Refenes, Phil Fish
Länge: 96 Minuten
FSK: 12
Rating: ★★★★★

“Ich wünschte, dass es mir nicht so wichtig wäre. Aber das ist es. Es ist mir so verdammt wichtig.”, sagt Phil Fish in die Kamera, kurz nachdem er feststellt, dass ein Post über den Trailer seines Indie-Games “Fez” doch nicht wie zunächst angezeigt 11000 Likes hat. Es sind nur Klicks, virtuelle Zuneigung. Phil weiß das, er sagt es mehrfach, aber er kann es nicht ändern. Er braucht Kommunikation. Er will Feedback. Er will Anerkennung.

‘Indie Game: The Movie’ ist eine Dokumentation über vier Videspielentwickler, die allesamt das stemmen, was große Firmen mit mehreren tausend Mitarbeitern schaffen. Über Monate hinweg verfolgte das Team um die Regisseure James Swirsky und Lisanne Pajot mehrere Entwickler und schnitt dann aus über 300 Stunden Material die vorliegende Doku. Herausgekommen ist eine emotionale Achterbahnfahrt, die die vier Hauptfiguren tief beleuchtet und als wesentlich mehr als vier Nerds, die Spiele in ihren Kellern machen, darstellt.

Da sind zum Beispiel Edmund und Tommy, die gerade Super Meat Boy am bauen sind, ein Spiel über einen Klumpen Fleisch, der sich durch Level vorbei an Sägen und anderen scharfen Objekten schlagen muss um zu seiner Freundin zu gelangen. Einerseits um sie zu retten, aber auch andererseits um zu überleben, weil sie Bandagen hat, die ihn retten. Sie komplettiert ihn. Edmund ist ein eher cooler Typ, die Sorte Kerl, die seiner Freundin bei einer Preisübergabe einen Heiratsantrag macht. Tommy ist chronisch krank und eher nachdenklich und hat außer seiner Familie keinen wirklichen sozialen Kontakt, Geld oder Unterstützung durch eine Frau wie Edmund, weil er sich 100% auf das Spiel konzentrieren muss.

Jonathan Blow hat es eigentlich bereits geschafft. 2008 hat er mit Braid die Indie-Spiel-Szene revolutioniert. Sein Spiel war ein kritischer und finanzieller Massenerfolg, aber wirklich glücklich ist er nicht. Sehr nachdenklich und reif hat ihn diese Zeit gemacht, aber auch sehr verletzt. Verletzt ist auch Phil Fish, der seit vier Jahren an dem Spiel Fez arbeitet, vom Spielprinzip vielleicht mit am ambitioniertesten, dafür aber alles alleine stemmen muss, seit sein Partner und er sich überworfen haben. Er hat weder Geld, noch ein Releasedatum in Aussicht und verzweifelt, weil alles umsonst sein könnte, falls sein ehemaliger Partner ihm nicht eine sehnsüchtig erwartete Unterschrift gibt.

Was hätte ‘Indie-Game: The Movie’ für eine nerdige Dokumentation werden können, die nur Gamern zu empfehlen wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Auch wenn der Film mal kurz abdriftet in Spielmechaniken oder Design, ist das Zentrum stets der kreative Konflikt innerhalb der Personen oder Teams. Am Ende des Tages spielt es keine Rolle, ob Tommy, Edmund, Jon und Phil Bücher schreiben, Comics illustrieren, Filme machen oder Spiele designen. Was sie antreibt, ist die Hoffnung auf Kommunikation, Interpretation, Feedback und Liebe. Jonathan Blow hat Millionen mit seinem Spiel Braid verdient, kritische Erfolge links und rechts abgesahnt, sich und sein Spiel aber in den Kommentaren jedes auch so kleinsten Blogs verteidigt, gerechtfertigt oder Fehler korrigiert. Die Leute mögen das Spiel lieben, aber sehen sie es und interpretieren sie es so, wie er es gewollt hat? Worauf er es abgesehen hat?

Als Edmund die ersten Zahlen des ersten Verkaufstags von Super Meat Boy bekommt, tanzen und freuen sich er und seine Frau über den Rekord von 15000 Einheiten, eine Zahl, die die von Braid weit übersteigt. Tommy nimmt diese Zahlen wahr, doch freuen tut er sich nicht wirklich, obwohl er nun locker die Schulden seiner Familie bezahlen kann. Erst als er sieht, wie die Leute Videos von sich selbst beim Spielen hochladen, verzweifeln und geheime von ihm versteckte Level finden, kann er aufleuchten.

Am Ende geht ein Schatzsucher mit einem Metaldetektor am Strand entlang. Das Gerät empfängt etwas und er beginnt zu graben, doch findet nichts. Er geht weiter. Wie er saßen die vier jungen Männer auf einem Schatz und grabten. Manche waren sich sicher, dass dort etwas ist, sie müssen nur tief genug graben. Andere waren sich nach einiger Zeit gar nicht mehr so sicher. Würden sie überhaupt etwas finden? Wie tief noch? Währenddessen spricht Edmund in einem Voice-Over darüber, dass er Zeichnungen von Super Meat Boy gefunden hat. Ein junger Fan hat sie gemacht, genau wie er damals Super Mario zeichnete. Edmund ist inzwischen wohlhabend, hat ein großes Haus gekauft und sein Spiel verkaufte sich weltweit über eine Million mal, doch was ihn zu Tränen rührt, ist die Vorstellung, dass er durch sein Spiel einen kleinen Jungen dazu animiert haben könnte, selbst kreativ zu werden.

‘Indie Game: The Movie’ ist erhältlich zum Kauf oder Verleih bei iTunes und Steam. Jim Guthries atmosphärischer Soundtrack ist hier erhältlich.