Vereinigte Staaten, 2012
Regie: Tim Burton
Drehbuch: Seth Grahame-Smith (Story: Grahame-Smith mit John August)
Darsteller: Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Eva Green, Michelle Pfeiffer, Chloe Moretz
Länge: 113 Minuten
FSK: 12
Rating:
Barnabus Collins (Johnny Depp) emigriert mit seinen Eltern von Liverpool nach Maine. Sein Vater ist ein reicher Unternehmer und errichtet ein erfolgreiches Fischerunternehmer in der schon bald nach ihm benannten Hafenstadt Collinsport. Auf einer Anhöhe errichtet er das prachtvolle Anwesen Collinwood, in dem der junge Barnabus die Herzen aller Putzmädchen bricht bis er auf die Undercoverhexe Angelique (Evan Green) trifft, die die Frau seines Lebens in den Tod treibt und ihn in einen Vampir verwandelt, der von den Dorfbewohnern eingekerkert und lebend unter die Erde gebracht wird. Knapp 200 Jahre später wird er bei Bauarbeiten wieder gefunden und kehrt zurück auf sein heruntergekommenes Anwesen, in dem die letzten, verstrittenen Überbleibsel der Collins hausen. Barnabus muss die Familie wieder zusammenführen und dem Fischerunternehmen zu altem Glanz verhelfen, das inzwischen von der Konkurrenz, Angeliques Firma, vom Markt verdrängt wurde.
‘Dark Shadows’ ist das neueste Produkt von Johnny Depp und Tim Burton, das auf einer amerikanischen Seifenoper aus den 60ern beruht. Ich sage Produkt, weil nichts mehr an diesem Film von einem künstlerischen Drang herrührt, sondern es wieder eine typische Burton-Produktion ist, die einem nicht wirklich geheimen Schema folgt. Es ist die filmische Version von Malen nach Zahlen. Ja, das Art-Design ist wie immer hübsch, wenn man auf den Stil steht und die Schauspieler können in den wenigen Momenten, die ihnen gegeben werden, glänzen, aber Dark Shadows krankt an seinem schlendernden Drehbuch. Nichts macht wirklich Sinn, es gibt keine Konsequenzen, keine Risiken, keine Ziele.
Die ersten 15 Minuten sind wirklich gut und sehr atmosphärisch. Burton versteht es den Ton aufzubauen und Figuren in Szene zu setzen. Doch genau das folgt dann auch: Nur Szenen, keine wirklichen Sequenzen. Figuren kommen, Figuren gehen, Sachen passieren, alles bleibt beim Alten. Insbesondere Helena Bonham Carters Charakter, der vielleicht 10 Minuten Screentime hat, wirkt deplatziert (wohl bewusst, es wird offen ein Sequel aufgebaut. Ärgerlich). Zwischendurch tötet Johnny Depp 10 Bauarbeiter, 9 Hippies und soll dann der sich um seine Familie sorgende Romantiker aus dem 18. Jahrhundert sein. Es funktioniert nicht.
Es funktioniert so vieles nicht: Barnabus hat Sex mit Angelique, damit diese seinem neuen Love-Interest nichts antut. Es hat keine Konsequenzen jeglicher Art. It just happens. Helena Bonham Carters Charakter gibt Barnabus einen Blowjob – augenscheinlich grundlos? Eine der merkwürdigsten Szenen der letzten Jahre. Am Ende ist dann plötzlich Chloe Moretz (Spoiler, schätze ich mal…) ein Werwolf und faucht ihrer verblüfften Mutter ein “Yeah, I’m a werewolf, get over it” zu; wohl auch an das Publikum gerichtet, das, sofern bis zu diesem Zeitpunkt noch geistig dabei, wohl endgültig den Stecker ziehen wird. Es gibt kein Set-up, kein Pay-off, es passiert einfach.
An diesem Punkt sollte man sich auch einmal die Frage stellen, was außer der Kohle und der Bequemlichkeit die Beiden dazu animiert ihre Projekte umzusetzen. Es gab wunderschöne Produktionen von Depp und Burton, die die zwei zu verdientem Ruhm führte, doch inzwischen ist der kreative Drang doch eingeschlafen. Burton hat schon seit langem, mit der Ausnahme von Sweeney Todd, nichts mehr wirklich Originelles getan. Wieso mal nicht mal etwas tun, das niemand von einem erwartet? Wieso immer etwas Traditionelles mit einem Twist? Wieso immer Depp? Kann Depp eigentlich noch eine Rolle in einem ernsthaften Drama als Familienvater spielen? Kann Burton noch ohne seinen Baukasten arbeiten?
Es kommt bei Burton ja schlussendlich immer zu einer Dichotomie: Entweder man mag es oder eben nicht. Bei ‘Dark Shadows’ ist das anders. Das Drehbuch ist objektiv beliebig und wahllos, überfüllt mit Charakteren und unterentwickelten Subplots. Aber Johnny Depp hat Schminke im Gesicht. Dem normalen Kinogänger wird es wohl egal sein.