USA, 2012
Regie: Joss Whedon
Drehbuch: Joss Whedon
Darsteller: Robert Downey Jr., Chris Evans, Mark Ruffalo, Chris Hemsworth, Samuel L. Jackson, Scarlett Johannson, Jeremy Renner
Länge: 142 Minuten
FSK: 12
Rating:
“Doth thou mother know you weareth her drapes?”
Es ist nicht möglich zu übertreiben, wie wichtig ‘The Avengers’ nicht nur für das Superheldengenre, sondern auch für die Geschichte des Films selbst, ist. Es ist als ob man die Cops aus Lethal Weapon, John McClane und den Typen aus Predator zusammen einen Film hätte machen lassen. Stallone probiert das jetzt mit bekannten Gesichtern in seinen “Expendables”-Filmen, aber es gibt keinen narrativen Zusammenhang – im Unterschied zu Kevin Feiges Meisterleistung: Fünf Puzzlestücke ebneten den Weg zu dem ersten Film seiner Art. Ironisch ist dabei, dass der Film selbst ist nur ein weiteres, größeres Puzzlestück ist in einer vielversprechenden Reihe von kommenden Filmen.
Das große Plus des Films ist, dass die Köpfe dahinter wissen, wo der Fokus liegen muss. Nicht auf der Geschichte, sondern auf den Figuren. Diese Charaktere sollten eigentlich nicht im gleichen Raum stehen. Verdammt, sie sollten nicht einmal im gleichen Universum existieren – und trotzdem: Sie tun es und es funktioniert. Und das einzig und alleine Joss Whedon zu verdanken. Seine Stimme dominiert den Film. Es ist als ob all seine bisherigen Werke (darunter Buffy, Angel, Firefly, etc.) nur Training waren für den bisherigen Höhepunkt seiner Karriere. In dieser ging es nämlich stets um ein Figurenemsemble und thematisch um Familie. Und das sind die Avengers. Leute, die nicht zusammenpassen, und dennoch miteinander arbeiten müssen: Die Definition von Familie. Jemand Besseren hätte man nicht finden können. Und dennoch ist es beachtlich, was Whedon abliefert, insbesondere im Bereich der Action, denn noch nie zuvor stand ihm ein solche großes Budget zur Verfügung.
Doch so toll die Action und das Set-Piece Manhattan am Ende auch ist, darunter eine so mühelos erscheinende, kontinuierliche Einstellung (zweifellos mit Hilfe von CGI erstellt aber dennoch atemberaubend), die all unsere Helden beim Kampf zeigt: Das Wesentliche des Films sind seine Charaktere. Jeder bekommt natürlich im Rahmen des Films seine gewisse Einleitung, doch die Charaktere selbst und ihre Interaktionen funktionieren sofort. Hier profitiert der Film von der Entscheidung jedem Charakter vorher seinen eigenen Film zu widmen. Sie können direkt glänzen ohne lange zu erklären, wie oder warum sie jetzt so denken oder woher sie kommen. Man muss praktisch die vorherigen Filme gesehen haben, sodass The Avengers beim Zuschauer funktioniert.
Hier liegt eventuell ein Kritkpunkt, von dem The Avengers mehrere aufweist. So hat der Film praktisch keine wirkliche Story: Loki ist ein böses, verschmähtes Kind, das den Tesseract braucht um eine Armee Außerirdischer auf die Erde zu bringen und Herrscher über die Menschheit zu werden. Asgard klappte ja nicht so toll. Dabei ist der Würfel nicht mehr als ein schlichter MacGuffin, die Chitauri als Gegner sind charakterloses Kanonenfutter und Lokis Motivation findet man ausschließlich im Vorfilm Thor. Aber das macht nichts, denn The Avengers selbst ist, wie in der für Marvel typischen Credits-Szene angedeutet, nur ein weiteres Puzzlestück in einer viel größeren Geschichte. Es finden ein Zusammensetzen und Aufbau statt für folgende Abenteuer. Und so entsteht eine Art neuen Filmemachens, die sich stärker als zuvor an ihrem Quellenmaterial inspirieren lässt.
Denn man einen Avengers-Volume liest, dann muss man die vorherigen Ausgaben der einzelnen Charaktere gelesen haben, sonst funktioniert es nicht. Dasselbe gilt für den Film. Aber auch in der Struktur selbst ist der Film wesentlich “comic-hafter” als seine Vorgänger im Genre mit seinem comic-typischen, leicht tv-trashigen Opening, der Zusammenkunft der Rächer, der Szenen auf dem Heli-Carrier und später beim Schlusskampf, bei dem besonders viel richtig gemacht wird. Jeder Charakter bekommt seine Chance zu glänzen, insbesondere der Hulk, der zum ersten Mal dem Gefühl nach “richtig” umgesetzt wurde. Seine Comic-Relief-Szenen sind einfach zum Brüllen. Alleine deshalb sollte The Avengers auch in einem vollen Kino gesehen werden, es ist Blockbusterkino vom Feinsten. Vieles stimmt einfach. Es wird auch offen mit der Diskrepanz der Fähigkeiten der Helden gespielt. Der Film geht offen damit um und das ist Whedons Drehbuch und seiner Liebe und Wissen um die Charaktere zu danken, dass Figuren wie Agent Coulson oder Maria Hill nicht untergehen, sondern die Welt ausgestalten und greifbarer werden lassen.
Fazit: The Avengers ist ein neues Format des Filmemachens und -schauens. Aber selbst ohne die vorherigen Filme kann man durch die klassisch-whedon’sche Charakterdynamik, die famose Action und vor allem den Charm und Humor den Spaß des Kinosommers haben. Einige betiteln The Avengers als das Star Wars dieser Generation. Ich kann es nachvollziehen.